Was ist

AI is eating the web:

  • KI-Konzerne pfeifen auf Urheberrechte und verleiben sich rücksichtslos das gesammelte digitale Wissen der Welt ein.
  • Sie bauen Produkte, die das kreative Schaffen jener Menschen weiter entwerten, deren geistiges Eigentum ohne Einverständnis zum Trainingsmaterial für Sprachmodelle degradiert wurde.
  • AI Slop flutet Feeds, SEO-optimierte Content-Farmen vermüllen das Netz.
  • Hunderte Millionen Menschen suchen mithilfe von Chatbots. Kaum jemand besucht die Webseiten, aus denen sich die Informationen speisen.
  • Google ersetzt Links durch KI-generierte Antworten, die Quellen höchstens als schmückendes Beiwerk darstellen. Klicks und SEO-Traffic sind im KI-Zeitalter akut vom Aussterben bedroht, es droht Google Zero.

Wir fokussieren uns in dieser Ausgabe auf die letzten beiden Punkte. Im Zentrum stehen zwei Fragen:

  • (Wann) kommen Google Zero und AI everything?
  • Was bedeutet das für Medien, die auf Google-Traffic angewiesen sind?

In den vergangenen Wochen sind dazu neue Umfragen und Datenerhebungen erschienen. Sie liefern keine abschließenden Antworten, ergeben in der Summe aber ein eindeutiges Bild: Die Lage ist ernst. Wer sich heute nicht darauf einstellt, dass das Netz von morgen anders funktionieren wird, könnte übermorgen mit einem Geschäftsmodell von gestern dastehen.

Was war

Wir haben zu dem Thema mehrfach ausführliche Newsletter verschickt:

Diese Analysen sind nach wie vor aktuell. Sie beschreiben anhand von Studien und Produktentscheidungen, wie sich die größte Suchmaschine in eine Antwortmaschine verwandelt hat, und welche Konsequenzen das hat. Heute ergänzen wir die bisherigen Briefings um einige neue Daten.

KI killt Klicks

  • Wenn Google in den Suchergebnissen AI Overviews (AIO) anzeigt, klicken acht Prozent der Nutzerïnnen auf einen Link. Ohne AIO sind es 15 Prozent.
  • Das ist das zentrale Ergebnis einer Studie des Pew Research Centers, das dafür das Sucherverhalten von rund 900 Erwachsenen auswertete.
  • Etliche Medien in den USA und Deutschland griffen die alarmierende Zahl auf und berichteten von einer Halbierung der Klickrate. Wir bezweifeln, dass die Datenerhebung eine so präzise Aussage zulässt.
  • Methodik und Umfang der Studie sind nicht geeignet, um allgemeingültige Quantifizierungen zu treffen. Detaillierte Kritik an der Datenqualität findet sich etwa bei Nick Heer und Search Engine Journal.
  • Dafür kann man nicht allein das Pew Research Center verantwortlich machen. Von außen ist es schwierig bis unmöglich, die Auswirkungen von AIO auf die Klickrate zu messen. Dafür sind die Google-Suchergebnisse zu dynamisch und abhängig von vielen Faktoren, die sich nicht zuverlässig reproduzieren lassen.
  • Es gibt jemand, der das ändern könnte: Google. Der Konzern rückt aber keine Daten heraus. Deshalb halten wir es für etwas scheinheilig, dass Google jetzt die Studie als fehlerhaft kritisiert, selbst aber weiter mauert. Meckern ist einfach, wenn man selbst der Einzige ist, der verlässliche Erkenntnisse liefern könnte.
  • Auch wenn die Pew-Studie und andere Datenerhebungen jeweils Limitationen haben, kommen sie letztlich zu ähnlichen Ergebnissen. Deshalb kann man eines mit großer Wahrscheinlichkeit festhalten: Je mehr zusätzliche Informationen Google anzeigt, desto weniger Menschen rufen eine der Quellen auf.
  • Diese Informationen kommen in Form von Rich Answers, Featured Snippets oder eben KI-generierten Texten. Diese Transformation vollzieht sich seit Jahren und wird durch generative KI massiv beschleunigt.
  • Um diese These zu untermauern, kann man entweder das Sucherverhalten von Menschen analysieren oder die Auswirkungen bei den betroffenen Seiten messen, etwa bei Verlagen. Das Ergebnis ist immer das Gleiche. Zero-Click-Searches nehmen zu, der Google-Traffic nimmt ab.
  • Vor zwei Monaten haben wir bereits mehrere solcher Studien gesammelt und zusammengefasst (SMWB). Aktuelle Zahlen von Authoritas (Guardian) und Similarweb (WSJ, Handelsblatt) gehen in die gleiche Richtung.

Google geht es gut

  • Generative KI bedroht Googles Geschäftsmodell wie kaum eine technologische Entwicklungen der vergangenen zwei Jahrzehnte. Als OpenAI Ende 2022 ChatGPT veröffentlichte, wirkte Google fast schon panisch. Die erste Version von Bard, wie Gemini damals hieß, war unausgereift und geradezu peinlich.
  • Der Konzern stand vor einem Dilemma. Generative KI war neu und aufregend, aber gleichzeitig unzuverlässig und fehlerbehaftet. Start-ups wie OpenAI konnten es sich leisten, ein Produkt auf den Markt zu bringen, das neben beeindruckenden Antworten auch jede Menge Bullshit lieferte.
  • Google hatte als Markführer viel mehr zu verlieren. Auch deshalb baute man mit Bard und Gemini eigenständige Chatbots, statt KI von Anfang an in die Suche zu integrieren. Die Einführung der AIO zeigte, dass die Vorsicht berechtigt war. Tagelang berichteten große Medien über die teils absurden KI-Texte, die Google prominent anzeigte – obwohl es sich eher um Einzelfälle handelte und Chatbots deutlich mehr halluzinieren.
  • AIO sind immer noch keine seriöse Quelle (The Verge), aber Googles zweigleisige Strategie scheint bislang aufzugehen. Als Consumer-Product bleibt ChatGPT unangefochten, Gemini gewinnt durch die tiefe Integration in Android und Google-Ökosystem aber an Marktanteil. Besonders Entwicklerinnen und Unternehmen greifen über die API auf die vergleichsweise effizienten und damit günstigen Modelle zu.
  • Für Google noch wichtiger: Dank AIO steigt die Zahl der Suchanfragen. Für Suchbegriffe, bei denen Google KI-generierte Antworten einblendet, hat das Suchvolumen zugenommen.
  • Die aktuellen Quartalsergebnisse übertrafen die Erwartungen und führten zu Überschriften wie „Is AI Killing Google Search? It Might Be Doing the Opposite“ (WSJ), „The AI Boom Is Expanding Google’s Dominance“ (NY Magazine) oder „Google gets its swag back“ (The Verge).

Was das bedeutet

  • Es ist noch viel zu früh, um SEO für bedeutungslos zu erklären oder gar das Ende von Google auszurufen (OMR). Der Konzern dürfte weiter Milliarden verdienen, trotz oder gerade wegen generativer KI.
  • Wir sorgen uns ohnehin weniger um Google als um den Rest des Webs, allen voran Verlage und unabhängige Medien.
  • Die sind von den aktuellen Entwicklungen deutlich stärker betroffen (Economist). ChatGPT oder Claude liefern kaum Besucherïnnen und können den sinkenden Google-Traffic bislang nicht annähern kompensieren (Growth Memo, TechCrunch).
  • Chatbots umgehen Paywalls (Digital Digging) und schicken massenweise Crawler, aber vergleichsweise wenige Menschen (The Decoder).
  • Im Vergleich zu Google ist der Marktanteil von ChatGPT winzig. Es wäre aber fahrlässig, die Trendlinien nicht in die Zukunft zu verlängern. Die Chancen sind groß, dass KI den nächsten großen Distributionswandel auslöst (Brian Balfour).
  • Die Zahl der Menschen, die Chatbots für gezielte Suchen nach Informationen nutzen, steigt Monate für Monat. Je jünger die Nutzerïnnen und je komplexer die Suchanfrage, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass generative KI zum Einsatz kommt.
  • Dummerweise sind Chatbots darauf angelegt, Antworten zu geben, die für sich stehen. Quellen verkommen zu Fußnoten, die wenige Menschen wahrnehmen und noch weniger Menschen anklicken.

Wie es weitergeht

  • ChatGPT und Google AIO sind nur der Anfang. In den USA, Indien und Großbritannien testet Google den AI Mode und ersetzt dabei Links vollständig durch Antworten eines Chatbots.

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