Was ist

Hört auf Sam Altman. Das raten wir selten, aber was Altman vergangene Woche bei einem Abendessen mit mehreren Journalistïnnen sagte, klingt in Teilen sinnvoll (The Verge, Platformer, TechCrunch):

Gefragt, ob wir uns in einer KI-Blase befänden, antwortete Altman: "Die Antwort ist ja." Altman sagte, er glaube weiterhin daran, dass KI enorme Gewinne für die Wirtschaft abwerfen werde. Aber "Investoren sind insgesamt übermäßig aufgeregt", sagte er. Bezugnehmend auf ein theoretisches Startup mit einer Bewertung von 750 Millionen Dollar, das nur "drei Leute und eine Idee" sei, sagte er: "Da wird sich jemand die Finger verbrennen."
KI werde große Gewinner und große Verlierer hervorbringen, sagte er. "Einige unserer Konkurrenten werden untergehen", sagte er. "Und einige werden ziemlich gut abschneiden." Aber über die gesamte Landschaft hinweg: "Jemand wird eine phänomenale Menge Geld verlieren."

Was dahintersteckt

Diese Aussage ist weniger bemerkenswert, als viele Schlagzeilen suggerieren ("Jetzt sagt sogar der OpenAI-Chef, dass KI eine Blase ist"). Es wäre unglaubwürdig bis lächerlich gewesen, hätte Altman das Gegenteil behauptet. Selbst die kühnste KI-Optimisten dürften sich darauf einigen können, dass:

  • viele Start-ups pleitegehen werden
  • sich ein Teil des Risikokapitals als Fehlinvestition herausstellen wird
  • bislang kaum ein KI-Konzern Geld verdient
  • der unbestrittene Nutzen der Technologie noch nicht die Billionen rechtfertigt, die in Funding und Infrastruktur fließen
  • es Anhaltspunkte dafür gibt, dass Sprachmodelle mit den aktuellen Trainingsmethoden und -daten nicht unbegrenzt weiter skalieren
  • sich KI aber weiter rasant verbessern muss, damit Investorïnnen eine gute Wette eingegangen sind.

Letztlich spricht Altman nur das Offensichtliche aus. Risikokapital trägt diesen Namen, weil niemand weiß, welches Start-up später ein Geschäftsmodell entwickelt oder zumindest aufgekauft wird. Aktuell fließen gewaltige Summen in die KI-Branche. Ein Teil dieses Geldes werden die Investorïnnen nicht wiedersehen.

Warum Altmans Aussagen verfangen

Für die mediale Rezeption gibt es zwei Gründe:

  1. Altman erzählt seit Jahren, dass KI die Menschheit entweder auslöschen oder retten wird. Lange Zeit befeuerte er den Criti-Hype, indem er vor Science-Fiction-Szenarien warnte. Mittlerweile predigt er lieber Superintelligenz, unbegrenzte Produktivität und Überfluss für alle, etwa in seinem Blogpost "The Gentle Singularity". Jetzt gesteht ausgerechnet Altman ein, dass manche Erwartungen an KI überzogen sind.
  2. Apropos enttäuschte Erwartungen: GPT-5 wurde dem Hype nicht gerecht, den OpenAI selbst geschürt hatte (SMWB). Das Modell ist ein großer Fortschritt im Vergleich zu GPT-4, aber nur eine inkrementelle Verbesserung im Vergleich zu 4o und o3 – und hat nichts mit AGI zu tun, wie Altman mehrfach angedeutet hatte.

Kaum jemand erzählt so überzeugende Geschichten wie Altman (SMWB). Er knüpft Kontakte zu allen Menschen, deren Geld oder Macht ihm nutzen könnte, sei es im Silicon Valley, in Washington oder in Dubai. Dann überzeugt er sie, dass sie unbedingt Geld in OpenAI stecken müssen, weil sie sonst die KI-Revolution verpassen, die Milliardeninvestitionen in Billionengewinne verwandelt.

OpenAI steht nicht zum ersten Mal in der Kritik, bislang ging es aber meist um kontroverse Entscheidungen, etwa den Streit mit Scarlett Johansson (SMWB). Jetzt hat ein Produkt enttäuscht, das Altman selbst zum Meilenstein ausgerufen hatte (The Verge). Dabei ist er Opfer seines eigenen Erfolgs geworden: Er hat derart überzeugend Milch und Honig gepredigt, dass Menschen es tatsächlich geglaubt haben (Dave Karpf).

Wo die wirklich riskante Blase droht

OpenAI hat den Start von GPT-5 "total vermasselt". Sagen nicht wir, sagt Altman. Der automatische Router innerhalb der Modellfamilie funktionierte anfangs nicht wie gewünscht. Es gab technische Probleme und zu geringe Limits für die Nutzung der leistungsfähigen Modelle. Außerdem unterschätzte man die emotionale Bindung, die manche Menschen zu den früheren Modellen aufgebaut hatten (SMWB).

Diese Fehler haben zur negativen Rezeption beigetragen, lassen sich aber korrigieren. Wenn Skeptiker wie Gary Marcus jetzt Victory-Labs drehen, gehen wir nicht ganz mit. Schon eher Beachtung schenken wir Cal Newport, der fragt, ob die Annahme überholt ist, dass sich LLMs durch immer mehr Rechenleistung und Trainingsmaterial unbegrenzt verbessern lassen (New Yorker).

Trotzdem taugt GPT-5 allein nicht als Beleg dafür, dass die KI-Entwicklung ein Plateau erreicht. Die Ansprüche waren schlicht unrealistisch, Fortschritt ist aber weiter erkennbar (Zvi Mowshowitz).

Deshalb halten wir es für einen Fehlschluss, die KI-Blase an GPT-5 festzumachen. Tatsächlich gibt es ganz andere Indikatoren, die deutlich besorgniserregender sind. Bislang scheinen die meisten Unternehmen aus FOMO in generative KI zu investieren. Sie haben Angst, etwas zu verpassen, wissen aber nicht genau, wo ihnen die KI helfen soll.

Die New York Times schreibt über einen McKinsey-Bericht und weitere Studien:

Fast acht von zehn Unternehmen geben an, generative KI zu nutzen, doch ebenso viele berichten von "keinem signifikanten Einfluss auf das Geschäftsergebnis".

Das bedeutet, dass Unternehmen weiterhin Milliarden investieren müssen, um nicht ins Hintertreffen zu geraten – doch es könnte Jahre dauern, bis die Technologie eine gesamtwirtschaftliche Rendite liefert, da Firmen schrittweise herausfinden, was am besten funktioniert.

Nennen wir es das "Generative-KI-Paradoxon", wie es McKinsey in seinem Forschungsbericht tat. Die Investitionen von Unternehmen in generative KI werden laut IDC, einem Technologieforschungsunternehmen, in diesem Jahr voraussichtlich um 94 Prozent auf 61,9 Milliarden Dollar steigen.

Obwohl viele Unternehmen bislang keinen Mehrwert in KI sehen und nichts verdienen, wollen sie ihre Investitionen verdoppeln. Eine aktuelle MIT-Studie kommt zu einem ähnlichen Ergebnis (The Register):

US-amerikanische Unternehmen haben zwischen 35 und 40 Milliarden Dollar in generative KI-Initiativen investiert und können bislang kaum Ergebnisse vorweisen. 95 Prozent der Großunternehmen haben aus ihren KI-Bemühungen keinerlei Ertrag erzielt. Nur 5 Prozent der Unternehmen ist es gelungen, KI-Tools erfolgreich in großem Maßstab in die Produktion zu integrieren.

Private Unternehmen stecken viel Geld in eine Technologie, die weniger bringt als erhofft? Dumm gelaufen, aber vermutlich kein systemisches Risiko für die gesamte Wirtschaft.

Anders sieht es bei den Investitionen in KI-Infrastruktur aus, also vornehmlich Rechenzentren. 2025 fließt voraussichtlich mehr als eine halbe Billion, bis 2028 könnten es drei Billionen werden (Economist).

Anders als bei früheren Investitionen, etwa dem Schienennetz oder dem Ausbau von Glasfaserleitungen, wird ein signifikanter Teil davon über Kredite finanziert. Zudem handelt es sich nicht um dauerhafte Infrastruktur. Grafikkarten verlieren schnell an Wert und müssen ersetzt werden. Es bleibt also nicht viel Zeit, um das Geld wieder einzuspielen.

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