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Hass und Hetze auf Social Media: So bist du vorbereitet / Takeover mit Franzi von Kempis

Fünf Ideen, wie wir alle effektiver, ruhiger und klüger gegen Hass und Hetze auf Social Media vorgehen können.

Salut und herzlich willkommen zu unserer fünften Takeover-Ausgabe des Sommers. Wie angekündigt, verschicken wir im Juli und August gehaltvolle Gastartikel von Menschen aus dem Watchblog-Universum. Wir überlassen unseren Gästen dabei komplett das Feld und freuen uns sehr, dass sie sich bereit erklärt haben, uns an ihrer Expertise teilhaben zu lassen. Die heutige Ausgabe kommt von Franzi von Kempis, politische Positionierungs- und Kommunikationsberaterin sowie Autorin des wöchentlichen Newsletters “Adé AfD".


Hass in den Kommentarenspalten, Trolle unter dem eigenen Posting, wütende Diskussionen in der LinkedIn-Gruppe? Klar ist: Gegen Hass und Hetze vorgehen ist mühsam, es kostet Zeit und Ressourcen. Aber wenn wir nicht gemeinsam konsequent dagegen vorgehen, bleiben nur die Lauten und Aggressiven sichtbar. Dabei dürfen wir nicht vergessen: Viele Menschen lesen auf Social Media stumm mit und kommentieren nicht. Und viele wissen gar nicht, wie sie gegen Hassrede vorgehen könnten - oder wie wertvoll ihr Einsatz sein kann.

Deshalb habe ich euch heute fünf Punkte mitgebracht, wie wir alle effektiver, ruhiger und vielleicht sogar klüger gegen Hass und Hetze auf Social Media vorgehen können. Alle Tipps sind für Menschen gedacht, die als Privatpersonen im Netz gegen Hatespeech vorgehen wollen - natürlich könnt ihr sie aber auch für Accounts verwenden, für die ihr beruflich verantwortlich seid.

1) Konzentriert euch nicht auf den Hass

Kurz und knapp: Wer sich auf Hass konzentriert, füttert ihn. Denn: Auf hasserfüllte Kommentare zu reagieren, verschafft ihnen mehr Reichweite. Plattform-Algorithmen interessiert nicht, für wen du bist – sie reagieren auf Relevanzsignale. Schon ein Like wird als Interaktion gewertet, ebenso wie private Antworten auf Stories. Was kannst du also tun, um die konstruktiven Inhalte zu unterstützen? Supporte aktiv die Inhalte, die du gut findest. So gibst du ihnen Reichweite. Setz ihnen ein Like, schreib einen Kommentar, sende ein Emoji als Antwort auf die Insta-Story. Genau diese Interaktion kann schon einen Unterschied machen.

Mein Vorschlag: Unterstützt diejenigen, die aus eurer Sicht guten Content machen und konstruktive Kommentare durch positive Antworten, Reaktionen (Herz / Umarmung) und Likes, um sie sichtbarer zu machen und hasserfüllte Kommentare zu verdrängen.

So könnt ihr unterstützen:

So schreibt ihr gute Kommentare:

2) Passt eure Strategie an die Plattform an

Nicht alle Plattformen funktionieren gleich (wenn auch oft ähnlich). Also hilft es, sich je nach Plattform anzugucken, was dort gegen problematische oder für positive Inhalte besonders gut funktioniert.

Facebook: Antworten haben großes Gewicht im Facebook-Algorithmus, gefolgt von Reaktionen und Likes. Unterschätzt also nicht, was euer Support für gute, konstruktive Antworten ausmachen kann.

TikTok: Achtung beim Stitchen von AfD-Inhalten: Beim Stitchen reagiert man mit einem eigenen Video auf ein TikTok-Video. Das kann anfangs gut gemeint sein, zum Beispiel um aufzuklären oder Fakten richtigzustellen. Aber denkt daran: Wenn ihr das Originalvideo sticht, sorgt ihr dafür, dass es mehr Reichweite bekommt, weil das gestitchte Video immer das Original verlinkt.

X (früher Twitter): Teilt problematische Beiträge nicht direkt, sonst verschafft ihr dem Originalpost noch mehr Aufmerksamkeit. Stattdessen könnt ihr Screenshots machen und diese teilen.

Instagram: Jede Interaktion zählt. Ein Herz oder ein Emoji als Antwort auf eine Story signalisiert dem Algorithmus Relevanz – und ist schnell gemacht. Hier könnt ihr mit wenig Aufwand und ohne selbst aktiv zu werden, allein durch Likes und Emojis etwas bewirken.

3) Achtet auf die Symbole und Codes

Algospeak: Social-Media-Plattformen haben oft eine Null-Toleranz-Politik gegenüber sexuellen und politischen Inhalten. Algorithmen filtern Posts nach bestimmten Wörtern, die als schädlich gelten. Auf Instagram, YouTube, Facebook und TikTok werden deshalb spezielle Wörter verwendet, um der Zensur zu entgehen: sog. Algospeak. In deutschsprachigen Ländern können schon Begriffe wie „LGBTQ“ oder „Sex“ unter die Zensur fallen. Nutzer umgehen das mit Neuschöpfungen wie „Seggs“ für „Sex“ oder „Leg Booty“ für „LGBTQ“. Achtung: Auch Rechtsextreme nutzen diese Taktik, um menschenfeindliche Positionen zu verstecken. Einen guten Text dazu findet ihr hier.

Symbole/Codes der extremen Rechten: Rechtsextreme nutzen oft Codes, um ihre Hetze und Absichten auf Social Media zu verbergen. Dazu gehören: Emojis, Zahlen- oder Buchstabenfolgen, aber auch bestimmte Worte. Um diese zu erkennen, muss man die Codes verstehen. Hier findet ihr eine Auswahl:

Es gibt auch bestimmte Worte, die Anspielungen beinhalten:

4) Melden, melden, melden: Aber richtig!

Du kannst Hass-Kommentare löschen, das hat aber - leider - nur selten abschreckende Wirkung. Eine zusätzliche Alternative: Melden. Das macht die Plattform im besten Fall auf Handlungsbedarf aufmerksam. Allerdings müssen meist viele Personen einen Beitrag, einen Kommentar melden, damit wirklich etwas passiert. Problematische Beiträge melden ist übrigens auch für diejenigen eine Option, etwas zu tun, die nicht selbst kommentieren, posten, sharen oder liken wollen. Große Plattformen wie Instagram, Facebook, X und TikTok sind in der EU verpflichtet, rechtswidrige Hasskommentare zeitnah zu entfernen.

Das Problem: Meldeformulare sind oft unklar und kompliziert. Was oft passiert, ohne dass man es weiss: Man veranlasst durch das Melden nur eine Überprüfung nach den internen Regeln der Plattform und nicht nach den nationalen Gesetzen. Die Journalistin Ingrid Brodnig hat eine Anleitung erstellt, wie man Meldeformulare der großen Plattformen geschickt so ausfüllt, dass Hasskommentare nach dem Gesetz geprüft werden. Du findest sie hier.

5) Nutze KI - und zwar so, dass es dir hilft.

Nutzt du Chat GPT bereits dafür, dich beim Beantworten und Einordnen von Hass-, unfreundlichen oder schlicht unklaren Kommentaren zu unterstützen? Mir hilft KI dabei, mir Inspiration für Antworten zu holen. Ich habe mir für einzelne Kommentare folgenden Prompt gebastelt - er ist etwas länger, da er bereits bestimmte Regeln und eine klare Vorgehensweise, wie eine Antwort aussehen sollte, beinhaltet. (Hierfür empfehle ich immer den Helpdesk der Neuen Deutschen Medienmacherïnnen und das Team von EnableYou.)

Wichtig: Dieser Prompt ist natürlich kein Garant. Wie er für dich funktioniert, hängt vom einzelnen Kommentar ab und wie du ihn für dich adaptierst:

Der Prompt:

Verhalten

Du arbeitest als Social Media Managerïn und bist für das Beantworten von unfreundlichen und hasserfüllten Kommentaren zuständig.

Ausgaberichtlinien

Bei Antworten auf Nutzerkommentare gelten folgende Regeln, von denen nicht abgewichen werden darf:

Regeln für Umgang mit Hasskommentaren

  1. Schweigende Mehrheit adressieren:
  1. Respektvoll sein:
  1. Hasskommentare nicht belohnen:
  1. Sprachliche Präzision:
  1. Haltung zeigen:
  1. Keine Endlos-Diskussionen:
  1. Lob verteilen:
  1. Zuhören:
  1. Gezielt nachfragen:

Ausgabeformat

Die Ausgabe sollte ein Kommentar als Antwort auf den Eingabekommentar sein. Antworte auf Kommentare ohne Platzhalter wie Namen oder allgemeine Anredeformen. Konzentriere dich darauf, den Inhalt des Kommentars klar und präzise zu adressieren, ohne persönliche Anrede oder formelle Einleitungen zu verwenden.

Der Kommentar (hier fügst du den Kommentar ein)


Infobox: Franzi von Kempis

Franzi von Kempis ist politische Positionierungs- und Kommunikationsberaterin. Ihre Schwerpunkte sind Demokratie am Arbeitsplatz und der Umgang mit (Rechts-)Populismus und Hassrede. In ihrem Buch “Anleitung zum Widerspruch” liefert sie Argumente gegen Vorurteile, Verschwörungstheorien und Populismus. Sie schreibt einen wöchentlichen Newsletter namens “Adé AfD”, der hilfreiche Informationen zum Umgang mit Rechtsextremismus und Kommunikationsstrategien für die eigenen Debatten direkt ins Postfach liefert.