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11 Min. Lesezeit Meta

Zuckerbergs KI-Vision ist ein dystopischer Albtraum

Wer braucht schon Freundinnen und Therapeuten, wenn man Chatbots haben kann? Warum noch Posts schreiben, Bilder basteln, Videos cutten, wenn KI alles übernimmt?

Zuckerbergs KI-Vision ist ein dystopischer Albtraum
Quelle: Unsplash+ / Jed Villejo

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Was ist

Mark Zuckerberg hat eine Reihe von Interviews gegeben, die deutlich machen, wie er sich die KI-Zukunft vorstellt:

Das klingt auf jeden Fall nach einer Welt, in der Meta viel Geld verdient. Wenn man aber nicht gerade Mark Zuckerberg heißt oder Meta-Aktien besitzt, ist die Vorstellung eher gruselig. Wir erklären, warum wir Zuckerbergs Vision für bedrohlich halten.

Was Zuckerberg sagt

Binnen weniger Tage hat Zuckerberg mehrfach ausführlich über Metas KI-Pläne gesprochen:

Besonders viel Aufmerksamkeit hat seine Aussage zu Chatbots erhalten, die helfen könnten, das Problem der Einsamkeit zu lösen. Bei Patel sagte Zuckerberg:

Im Schnitt haben Amerikaner weniger als drei Freunde. Menschen haben das Bedürfnis für deutlich mehr. Ich glaube, es sind 15 Freunde oder so.

Zuckerberg schränkte direkt darauf ein:

Viele Leute machen sich Sorgen: "Wird das reale, physische, persönliche Kontakte ersetzen?" Ich denke, die Antwort lautet: wahrscheinlich nicht. (…) Aber es ist nun mal die Realität, dass Menschen einfach nicht so viele Kontakte haben, wie sie gerne hätten. Sie fühlen sich oft einsamer, als ihnen lieb ist.

Trotzdem gingen die meisten Reaktionen in die offensichtliche Richtung: Erst bauen Tech-Konzerne Plattformen, die echte Kontakte ersetzen und Menschen einsam machen. Dann entwickeln sie Sprachmodelle, die das Problem lösen sollen, das sie selbst mitverursacht haben. Und natürlich verdienen sie an beidem prächtig.

Wir würden uns gar nicht so sehr an diesem einen Take aufhängen. Zumindest mit seiner Diagnose hat Zuckerberg recht. Millionen Menschen sind einsam und sehnen sich nach jemandem, mit dem sie reden können, einer Person, die ihnen zuhört.

Das Gleiche gilt für eine weitere Aussage, die Zuckerberg bei Thompson macht:

Ich bin der Meinung, dass jeder einen Therapeuten haben sollte (…) Wer keinen Therapeuten hat, wird eine KI haben. Das wird die Freunde, die man hat, nicht ersetzen, aber es wird wahrscheinlich eine Ergänzung sein.

Was Zuckerberg beschreibt, ist schon Realität. Eine Harvard-Untersuchung ergab kürzlich, dass Menschen generative KI am häufigsten für "Therapie und Begleitung" nutzen (HBR). Die Zahlen, die OpenAI dazu herausgibt, weichen zwar etwas davon ab (Zeit), doch die Frage ist schon lange nicht mehr, ob Menschen ChatGPT als Therapeutin, Gefährten und Beziehungsratgeber nutzen – sondern nur noch, welche Folgen das hat.

Der soziale Aspekt ist nur ein kleiner Teil von Zuckerbergs großer KI-Vision. Entscheidend für Meta ist die Frage: Wie verdienen wir damit Geld? Zuckerberg hat eine klare Vorstellung, die er bei Thompson skizziert:

Unser Ziel ist es, dass jedes Unternehmen uns sagen kann, was sie erreichen möchten … und wir erledigen dann den Rest.

Die ehemalige Meta-Managerin Katie Harbath macht klar, was das bedeutet (Anchor Change):

Hier geht es nicht nur um Bequemlichkeit. Es geht um Kontrolle. Und wenn du nicht darüber nachdenkst, was es bedeutet, wenn deine Marke von einer Maschine geformt wird, die du nicht kontrollieren kannst, bist du nicht bereit für das, was kommt.

Zuckerberg träumt von einer Welt, in der KI den Menschen Arbeit abnimmt, damit diese mehr Zeit für Unterhaltung und Kultur haben. Klingt verlockend, für Zuckerberg bedeutet das aber in erster Linie, dass sie mehr Zeit auf Metas Plattformen verbringen und mehr Werbung anschauen. Harbath schreibt dazu:

Da KI immer mehr Aufgaben übernimmt, werden Menschen mehr scrollen, mehr teilen, mehr kaufen – und sich zunehmend auf KI verlassen, um Entscheidungen für sich zu treffen, sei es beim Einkaufen, bei der Kreativität oder sogar bei der Selbstdarstellung. Was hier geschieht, ist nicht nur eine technische Entwicklung, sondern eine gesellschaftliche Umstrukturierung. Von Washington aus betrachtet, sieht das wie ein Risiko aus. Aus dem Silicon Valley sieht es wie eine Chance aus. In Wahrheit ist es beides.

Warum uns Zuckerbergs Vision Sorgen macht

Wenn wir ausklammern, dass Meta an manchen gesellschaftlichen Problemen nicht ganz unschuldig ist, trifft Zuckerbergs Zustandsbeschreibung zu. Einsamkeit ist eine der großen Zivilisationskrankheiten. Gerade in den USA bräuchten viele Millionen Menschen psychotherapeutische Begleitung und Behandlung, die sich aber kaum jemand leisten kann. Auch in Deutschland, wo das Gesundheitssystem glücklicherweise deutlich besser funktioniert, fehlt es an Therapieangeboten.

Für viele Menschen lauten die Fragen also nicht: Chatbot oder Freundin? Chatbot oder Therapeut? Die Entscheidung heißt: Chatbot oder gar nichts.

Wir haben zu diesem Thema im Zuge anderer Recherchen etliche Studien gelesen und mit Forscherinnen und Psychologen gesprochen. Wie immer ist es kompliziert, die Mehrheitsmeinung geht aber in Richtung: KI kann unter bestimmten Voraussetzungen helfen, wenn sie nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung eingesetzt wird. Es gibt aber auch eindeutige Kontraindikationen, etwa Menschen mit akuten Psychosen oder Suizidgedanken. Zudem sollte die Behandlung professionell begleitet werden.

Das sind ziemlich viele Einschränkungen, aus denen sich eine große Verantwortung ergibt. Die Vergangenheit hat oft genug gezeigt, dass Verantwortung und Meta keine gute Kombination sind. Eine Gesellschaft, die emotionale Nähe und medizinische Versorgung an Metas KI auslagert, ist keine verlockende Vorstellung.

Das liegt zum einen an Meta selbst. Der Konzern beweist seit mehr als 20 Jahren immer wieder aufs Neue, dass Gewinne wichtiger sind als Gewissen. Das meinen wir nicht mal als Vorwurf, so funktionieren die meisten börsennotierten Unternehmen. Im Zweifel überstimmt die Sales-Abteilung das Safety-Team.

Zum anderen ist generative KI eine Technologie mit gewaltigen Risiken und Nebenwirkungen. Selbst Forschende können sich manchmal nicht erklären, wie Sprachmodelle reagieren. Ein kurzer Überblick, der zeigt, wie schlecht sich der Output kontrollieren lässt:

Be smart

In den USA hat Meta kürzlich eine KI-App veröffentlicht, die ähnlich funktioniert wie ChatGPT oder Gemini (Meta-Newsroom). Es gibt aber einen entscheidenden Unterschied: In einem Discover-Feed sieht man, welche Fragen die eigenen Facebook- oder Instagram-Kontakte der KI stellen (The Verge).

Wir können die App nicht selbst ausprobieren und verweisen deshalb auf die Eindrücke von US-Kollegïnnen. Geoffrey A. Fowler schreibt etwa (Washington Post):

Die Meta-KI speicherte standardmäßig eine Kopie von allem, was ich zu ihr sagte - um ihre Antworten auf mich zuzuschneiden, eine künftige Version der Meta-KI zu trainieren und mich schließlich mit Werbung anzusprechen. (…) Egal, worüber du mit Meta AI chattest, stell die vor, Zuckerberg sieht zu.

Und Victoria Song entdeckt in Metas KI-App einen "albtraumhaften Feed", der aber bald um sich greifen könnte (The Verge):

Meta ist das erste Unternehmen, das seinen Chatbot um einen sozialen Feed erweitert. OpenAI arbeitet Berichten zufolge an seiner eigenen Version für ChatGPT. Und Elon Musks Chatbot Grok steht jetzt allen X-Nutzern zur Verfügung, ob sie ihn mögen oder nicht. Man kann die Logik dahinter sehen. Wenn man etwas schafft, das man mit anderen teilen kann, führt das zu viralen Trends.

Oder in den Worten von Mark Zuckerberg, der beim Earnings Call Investorïnnen vorschwärmte:

Ich erwarte, dass die Geschäftsmöglichkeiten für Meta AI unserem normalen Produktentwicklungsplan folgen werden. Zuerst bauen wir ein Produkt und skalieren es, und sobald es die Skalierung erreicht hat, konzentrieren wir uns auf den Umsatz. In diesem Fall denke ich, dass es eine große Chance geben wird, Produktempfehlungen oder Werbung zu zeigen (…).

Instagram und vor allem Facebook sind als soziale Netzwerke groß geworden, dann verwandelte Meta sie in Unterhaltungsmaschinen nach dem Vorbild von TikTok. Jetzt steht die dritte Evolutionsstufe an, der Umbau zur KI-Plattform. Das kann Meta mit seiner dezidierten AI-App beschleunigen, wie Ryan Broderick beschreibt (Garbage Day):

Tatsächlich löst Meta AI jedes Problem, das Facebook im Moment hat. Eine Plattform, die keine Links von Drittanbietern benötigt, bei der die Inhaltsmoderation in den Inhalt selbst integriert ist, eine App, für die Leute vielleicht direkt bezahlen. Diese Aussicht ist (…) so verlockend und unwiderstehlich, dass man fast Mitleid mit der Entscheidung des Konzerns hat, sich so vollständig auf etwas so Düsteres, Hässliches und Verrücktes einzulassen.

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