Was aus der deutschen Contact-Tracing-App geworden ist
Was war
Der April war der Monat, in dem alle über Tracing-Apps gesprochen haben. Zwischenzeitlich konnte man den Eindruck gewinnen, als seien solche Apps ein Allheilmittel, das dem Coronavirus seinen Schrecken nehmen könnte.
Auch wir haben dem Thema im Laufe des Aprils ein halbes Dutzend Analysen gewidmet und sind dabei ausführlich auf Risiken, Nebenwirkungen und die aller Voraussicht nach begrenzte Wirksamkeit von Tracing-Apps eingegangen:
- Warum Deutschland jetzt doch eine dezentrale Corona-App will (#634)
- Der erbitterte Streit um die „richtige“ Anti-Corona-App (#632)
- Warum Tracing-Apps die Corona-Krise nicht lösen werden (#630)
- Deutschland will Covid-19 mit einer App eindämmen (#627)
- Grundrechtseingriffe gegen Covid-19 (#626)
- Weniger Datenschutz – besserer Seuchenschutz? (#624)
Was ist
In den vergangenen Wochen ist es stiller geworden um die Tracing-Apps. Nachrichten, die einen Monat zuvor noch ein großes Medienecho ausgelöst hätten, tauchen jetzt eher bei Heise und Golem als beim Spiegel und der FAZ auf. Wenn größere Medien doch berichten, dann hält sich das Interesse der Leserïnnen in Grenzen (das können wir zumindest in Bezug auf die SZ und Zeit Online sagen, wo wir die Zugriffszahlen kennen).
Was kommt
Der Hype scheint vorbei zu sein, die Entwicklung aber geht weiter. Mittlerweile haben sich die teils überzogenen Hoffnungen und Erwartungshaltungen verflüchtigt, die manche mit der App verbunden haben.
Dem Gartner-Hype-Cycle (Wikipedia) nach, der den Umgang mit neuen Technologien beschreibt, befinden wir uns jetzt im „Tal der Enttäuschungen”. Nach dem „Gipfel der überzogenen Erwartungen” haben wir den Tiefpunkt erreicht – ab sofort müsste es aufwärts gehen. Glaubt man der Kurve, folgen nun der „Pfad der Erleuchtung” und das „Plateau der Produktivität”.
In dieser Ausgabe wollen wir versuchen, drei Fragen zu beantworten:
- Rückblick: Warum hat das Interesse so schnell so stark nachgelassen?
- Bestandsaufnahme: Wie steht es um die Entwicklung der deutschen Tracing-App?
- Ausblick: Kann die App doch noch zu einem wichtigen Baustein im Kampf gegen die Pandemie werden?
1. Warum hat das Interesse so schnell so stark nachgelassen?
Der wichtigste Grund ist das Chaos der vergangenen Wochen:
- Ursprünglich sollte die erste Version der App kurz nach Ostern fertig sein, also vor etwa anderthalb Monaten.
- Seitdem gab es einen erbitterten Grundsatzstreit (mehr dazu in Ausgabe #632) um den „richtigen” Ansatz, bei dem sich letztendlich die Befürworterïnnen der dezentralen Lösung durchgesetzt haben (#634).
- Nun ist zwar das Ziel klar, aber auch jede Menge Vertrauen verspielt. Viele Menschen, die sich nicht so intensiv mit dem Thema beschäftigen, dürften mittlerweile sehr skeptisch geworden sein.
- Erst preisen Poltikerïnnen und Entwicklerïnnen Apps als Wundermittel an. Dann werden immer wieder neue Veröffentlichungstermine angekündigt, die sich Woche um Woche nach hinten verschieben. Es folgen eine öffentliche Schlammschlacht, offene Briefe mit drastischen Warnungen vor „beispielloser Überwachung”, weitere Verzögerungen und irgendwelche nicht unbedingt vertrauensbildenden Meldungen über eine Beteiligung von Apple und Google.
- Für alles mag es Gründe und Erklärungen geben – und tatsächlich ist eine ausgereifte, datenschutzfreundliche App, die spät kommt, besser als ein zusammengebastelter Schnellschuss, der ein paar Wochen früher zum Download bereitsteht.
- Für die meisten Außenstehenden bleibt aber hängen: Etliche andere Länder haben längst eine App im Einsatz, nur Deutschland bekommt mal wieder nichts auf die Reihe. (Siehe dazu: Ann Cathrin Riedels jüngste Ausgabe ihres stets lesenswerten Newsletters Digital Digest)
- Statt endlich einen Download-Link angeboten zu bekommen, lesen Menschen Artikel über die dritte, vierte, fünfte Volte in der Entwicklung – den sechsten Artikel lesen sie eben nicht mehr, weil sie das Thema langweilt. Aufmerksamkeit ist ein rares Gut, und die Geschichte einer App, die nicht fertig wird, hat sich irgendwann auserzählt.
Hinzu kommen eine Reihe weiterer Gründe:
- Generell ist das Interesse für Corona-Themen abgeflaut. Der Ausnahmezustand ist zur Normalität geworden, der Traffic der Nachrichtenseiten ist nach zwei Monaten voller Allzeitrekorde auf Prä-Pandemie-Niveau zurückgegangen.
- Viele Menschen meiden wieder aktiv Nachrichten – insbesondere Corona-News (Reuters Institute). Sie wollen in erster Linie wissen: Welche Beschränkungen gelten gerade und wann werden sie aufgehoben? Wie lange dauert es, bis ein Impfstoff fertig und „der ganze Quatsch“ vorbei ist?
- Das wirkt sich natürlich auch auf die Berichterstattung zu Tracing-Apps aus, die nur noch ein Nebenaspekt eines Themas sind, von dem man ohnehin die Schnauze voll hat.
- Außerdem hat sich der Blick auf Tracing-Apps geändert: Selbst die Bundesregierung warnt mittlerweile, ihre Wirkung zu überschätzen und sagt, dass Abstands- und Hygieneregeln sowie das Tragen von Masken „eine viel zentralere Bedeutung“ für den Verlauf der Pandemie hätten.
- Anfangs weckten die Berichte über die Erfahrungen anderer Länder übertriebene Hoffnungen: „So könnten wir das Coronavirus besiegen”, überschrieb etwa der Schweizer Tages-Anzeiger einen Text über die App in Singapur, die URL enthält das Fragment: „das-ende-von-corona”.
- Mittlerweile hat Singapur eine zweite Infektionswelle erlebt, die Tracings-Apps nicht verhindern konnten – und auch etliche andere Länder machen eher ernüchternde Erfahrungen mit ihren Apps.
2. Wie steht es um die Entwicklung der deutschen Tracing-App?
- In Deutschland haben die Telekom und SAP die Entwicklung federführend übernommen.
- Vergangene Woche wurden erste Details des Konzepts auf Github veröffentlicht.
- Obwohl Leute wie Fefe auf eine Beteiligung von großen Unternehmen natürlich allergisch reagieren („Ach du je. Die Telekom und SAP?”) war die Resonanz auf die Veröffentlichung relativ positiv.
- Der Informatiker Henning Tillmann, der bereits im April vor allzu großen Hoffnungen gewarnt (Zeit Online) und den dezentralen Ansatz gut verständlich erklärt hatte (Twitter), bezeichnet die Dokumentation in einem Twitter-Thread als „beispielgebend” und lobt den Testprozess als „sehr detailliert und durchdacht” (Twitter).
- Auch Apple und Google haben die im April angekündigte Bluetooth-API veröffentlicht (Golem), auf der Entwicklerïnnen mit ihren Apps aufsetzen können – allerdings nur, wenn sie eine dezentrale Lösung anbieten. Auch die deutsche App wird diese Schnittstellen nutzen.
- Der anvisierte Starttermin ist Mitte Juni. Dann soll die Agentur „Zum Goldenen Hirschen” mit Slogans wie „Diese App kann nichts, außer Leben retten” möglichst viele Menschen davon überzeugen, die schlicht „Corona Warn App” genannte Anwendung herunterzuladen und zu nutzen (Spiegel).
- Klar ist, dass die Nutzung der App freiwillig sein soll. Offen ist, wie die Einwilligung erfolgt. Während etwa der Branchenverband Bitkom auf informierte individuelle Zustimmung setzt (Handelsblatt), fordern viele andere eine gesetzliche Grundlage.
- Insgesamt sieben Wissenschaftlerïnnen und Expertïnnen haben dazu einen Vorschlag ausgearbeitet (PDF), den der beteiligte Jurist Malte Engeler für rechtlich geboten hält (Netzpolitik): „Erst durch eine gesetzliche Regelung kann ansatzweise gewährleistet werden, dass bei der App-Nutzung so etwas wie Freiwilligkeit verbleibt.”
- Auch die Bundestagsfraktion der Grünen hat den Antrag „Demokratie, Bürgerrechte und Zivilgesellschaft in Zeiten der Corona-Krise” (PDF) eingebracht, der eine Gesetzesgrundlage für eine Tracing-App schaffen soll.
- Doch während etwa die Schweiz und Belgien ein solchen App-Gesetz planen, verweist die Bundesregierung auf die Freiwilligkeit und das hohe Datenschutzniveau in der EU (Deutschlandfunk).
3. Kann die App doch noch zu einem wichtigen Baustein im Kampf gegen die Pandemie werden?
In Ausgabe #630 haben wir Dutzende mögliche Probleme genannt, die dem Erfolg von Tracing-Apps im Weg stehen könnten, die wir den Kategorien „Verbreitung”, „Verwirrung”, „Zuverlässigkeit”, „Sicherheit”, „Psychologische und soziale Folgen” und „Testkapazitäten” zugeordnet haben. In Briefing #634 haben wir weitere Hürden und Herausforderungen aufgelistet und präzisiert.
All diese Punkte sind nach wie vor aktuell. Hinzu kommen zwei Berichte aus dem Ausland, die in den vergangenen Wochen die Runde machten – und nicht unbedingt zuversichtlich stimmen:
- In Island benutzen fast 40 Prozent der Bevölkerung die Anti-Corona-App Rakning-C19. In keinem anderen Land liegt der Anteil so hoch.
- Trotzdem scheint die Wirkung begrenzt zu sein, wie der Leiter des isländischen Tracing-Projekts selbst sagt (MIT Technology Review):
„The technology is more or less … I wouldn’t say useless. (…) I would say Rakning has proven useful in a few cases, but it wasn’t a game changer for us.”
- Die App ist allerdings nicht ganz mit der deutschen Version vergleichbar, da Island nicht auf Tracing per Bluetooth, sondern auf Tracking per GPS-Daten setzt.
- In Australien fällt das Fazit noch ernüchternder aus. „How did the Covidsafe app go from being vital to almost irrelevant?”, fragt der Guardian und begibt sich auf Spurensuche.
- Ende April bezeichnete die Regierung die App noch als essenziell, um zum normalen Leben zurückkehren zu können. Tatsächlich soll bislang erst eine einzige Kontaktperson mit Hilfe der App gewarnt worden sein.
- Die australische Regierung hat sich selbst Steine in den Weg gelegt: Bislang setzt die App auf das zentrale Modell – das Apple und Google nicht unterstützen. Vor allem auf iPhones ist die App deshalb kaum funktionsfähig.
- Nun soll die Technik zwar umgerüstet werden, im laufenden Betrieb ist das aber nur mit großem Aufwand möglich, da die Versionen inkompatibel miteinander sind und beide Modelle eine Zeitlang parallel laufen müssten.
Der Covid-Tracing-Tracker des MIT gibt einen guten Überblick, welche Länder bereits Tracing-Apps einsetzen und wie die Apps jeweils ausgestaltet sind. Bislang haben wir von keiner App gehört, die gleichzeitig datenschutzfreundlich (invasive Tracking-Systeme wie etwa in China fallen damit weg) und effektiv ist.
Das stimmt wenig zuversichtlich, was den Erfolg der deutschen App angeht. Ein Rechenbeispiel mit folgenden Grundannahmen:
- Rund 58 Millionen Menschen in Deutschland nutzen ein Smartphone (Statista).
- Nicht alle dieser Smartphones sind technisch in der Lage, die Tracing-App zu installieren, da Apple und Google jeweils bestimmte Versionen des Betriebssystems voraussetzen.
- Den genauen Anteil kennen wir nicht und gehen optimistisch von 54 Millionen Menschen aus, die theoretisch Tracing-Apps nutzen könnten (was vermutlich zu hoch gegriffen ist).
- Einem ZDF-Politbarometer von Ende April zufolge will weniger als die Hälfte der Bevölkerung die App nutzen. Wir sind erneut optimistisch und sagen: Es sind 50 Prozent.
- Außerdem vereinfachen wir die Rechnung, indem wir sagen, dass das Stimmungsbild der Befragten (von denen einige vermutlich kein Smartphone besitzen) dem Stimmungsbild der Handynutzerïnnen entspricht.
- Jetzt werden wir von Optimisten zu Traumtänzern: Wir blenden alle technischen Probleme aus, vertrauen auf die Genauigkeit der Bluetooth-Schnittstellen und sagen, dass die App jede Begegnung zwischen Infizierten und Kontaktpersonen zuverlässig identifiziert.
In diesem Beispiel nutzen 27 Millionen Menschen die App, das sind etwa 35 Prozent der Bevölkerung. Das bedeutet, dass etwa jede achte Kontaktpersonen eines Infizierten gewarnt werden kann.
Das ist natürlich besser als nichts und kann helfen, R zu senken – zeigt aber auch, dass wir uns endgültig von der Illusion verabschieden sollten, dass eine App ein normales Leben ermöglichen wird, wie wir es vor der Pandemie geführt haben.
Umso erschreckender sind die Äußerungen, die jetzt von einigen konservativen Politikerïnnen zu hören sind:
- Der CDU-Bundestagsabgeordnete Armin Schuster sagt etwa: „Der Einsatz sollte zunächst freiwillig sein. Aber wenn wir nach einigen Monaten feststellen, dass die App zur Eindämmung der Epidemie zwar wirkungsvoll funktionieren würde, aber zu wenige Bürger sie installieren, müssen wir noch mal über Pflicht reden.”
- Der JU-Vorsitzende Tilman Kuban regt eine automatische Installation an, der Nutzerïnnen aktiv widersprechen müssten. Weitere Vorschläge umfassen etwa Steuervergünstigen oder andere Vorteile für App-Nutzerïnnen.
- Auch Axel Voss meldet sich zu Wort (FAZ): „Wer eine solche App hat, sollte auch zuerst wieder ins Restaurant, ins Kino, ins Theater und ins Freibad dürfen.”
Wir wissen noch nicht, wann die App kommen wird und wie viele Menschen sie nutzen werden. Eines wissen wir aber mit Sicherheit: Dass einige Politikerïnnen jetzt schon anfangen, die Freiwilligkeit in Frage zu stellen, die sie zuvor immer wieder garantiert hatten, macht uns schlechte Laune.
Das große Mediensterben beginnt – wer ist Schuld?
Wer irgendwas mit Medien macht, dürfte es mitbekommen haben: Das Coronavirus hat nicht nur das öffentliche Leben weitgehend lahmgelegt, sondern auch die Anzeigenerlöse vieler Verlage einbrechen lassen. In Deutschland sind etliche Redaktionen in Kurzarbeit – in den USA sieht es noch deutlich übler aus.
Poynter sammelt alle Zwangsurlaube, Kündigungen und Pleiten, die seit dem Ausbruch der Pandemie verkündet wurden – es ist eine sehr lange Liste. Darunter sind nicht nur viele Dutzend lokale und regionale Zeitungen, Radiosender und TV-Stationen, sondern auch digitale Medien (Washington Post), die noch vor wenigen Jahren als die Zukunftshoffnung des Journalismus galten, vor allem auf Social Media als Verbreitungskanal setzten und teils mit vielen Milliarden bewertet wurden:
- BuzzFeed streicht nach dem deutschen Ableger weitere Landesbüros zusammen und entlässt Mitarbeiterïnnen.
- Vice kündigt 55 Angestellten in den USA und weiteren 100 weltweit. Die deutsche Redaktion geht in Kurzarbeit, ist bislang aber offenbar nicht von den Entlassungen betroffen.
- Bei Quartz verlieren 80 Menschen ihre Jobs.
- Vox schickt 100 Angestellte in Zwangsurlaub.
- Vielversprechende Start-ups wie das Newsletter-Business The Skim kündigen 20 Prozent ihrer Mitarbeiterïnnen, das gerade erst gestartetete Projekt Protocol entlässt schon wieder Redakteurïnnen.
- The Outline macht komplett dicht (wir werden es vermissen).
- Selbst der Atlantic, dessen Redaktionsleiterin Adrienne LaFrance kürzlich noch von 70.000 neuen Abonnentïnnen schwärmte (NiemanLab), muss 68 Menschen entlassen.
Im April schrieb die New York Times von 36.000 betroffenen Angestellten und Mitarbeiterïnnen bei Medienunternehmen, mittlerweile dürften es deutlich mehr sein. Meist werden zwei Gründe für die Krise genannt – ein akuter und ein grundsätzlicher:
- Die Corona-Krise habe Verlage ins Straucheln gebracht und die Massenentlassung ausgelöst. Poynter nennt seine Liste etwa: „Here are the newsroom layoffs, furloughs and closures caused by the coronavirus” (Hervorhebung von uns)
- Facebook und Google hätten Zeitungen das Werbegeschäft kaputtgemacht und die Wertschätzung für guten Journalismus zerstört. Das schrieb etwa Vice-Chefin Nancy Dubuc in ihrem Memo (CNBC), in dem sie die Entlassungen bekanntgab:
„But we aren’t seeing the return from the platforms benefiting and making money from our hard work. Now, after many years of this, the squeeze is becoming a chokehold. Platforms are not just taking a larger slice of the pie, but almost the whole pie.„
Beide Erklärungsansätze greifen zu kurz:
- Das Coronavirus ist höchstens ein Katalysator, kein Auslöser. Es beschleunigt teils unvermeidlichen Entwicklungen. Ein Verlag, der bis Februar glänzend dagestanden ist, muss nicht innerhalb von wenigen Wochen Dutzende Menschen entlassen.
- Facebook und Google sind nicht die Totengräber des Journalismus. Tatsächlich landet ein Großteil der digitalen Anzeigenerlöse im Silicon Valley, aber das liegt eher an der Unfähigkeit und jahrelangen Realitätsverweigerung vieler Medienunternehmen.
- Analysten wie Ben Thompson beschreiben seit Jahren (Stratechery), wie das Internet das alte Geschäftsmodell von Zeitungen zerstört hat, bedrucktes Papier zu verkaufen, indem es Wettbewerb ermöglicht und Werbemonopole zerstört hat.
Die Ansicht, Facebook und Google müssten die Medien retten, indem sie für Inhalte Geld bezahlen, ist leider weit verbreitet – was zu bedauerlichen Initiativen wie dem deutschen Leistungsschutzrecht geführt hat.
Auch Ben Smith, der (eigentlich sehr gute) Medienkolumnist der New York Times, der selbst erst vor kurzem von BuzzFeed weggekauft wurde (Piqd), beschreibt in einem einseitigen und oberflächlichen Text die weltweiten Bestrebungen, Big Tech für Medien zahlen zu lassen. Ben Thompson nimmt die vorgebrachten Argumente standesgemäß auseinander (Stratechery).
All das beantwortet die entscheidende Frage natürlich noch nicht: Wer soll denn nun für Journalismus bezahlen, wenn es offensichtlich nicht mehr genug Menschen gibt, die dafür bereit sind? Oder, präziser ausgedrückt: Wenn viele Verlage nicht in der Lage sind, Menschen den Wert ihrer Arbeit zu vermitteln und einfache Möglichkeiten anzubieten, Abonnements abzuschließen?
Dieser Frage wollen wir in einem der kommenden Briefings nachgehen und dabei ausführlicher auf die Rolle von Facebook und Google eingehen, die derzeit viele Millionen für Medien und Journalismus bereitstellen.
Kampf gegen Desinformation und Hass
Gebrauchsanweisung: Wir haben in den vergangenen Wochen zweimal ausführlich über Verschwörungsmythen geschrieben. Einmal gingen wir der Frage nach, warum so viele Menschen an Verschwörungen glauben (Briefing #636). Das andere Mal ging es um die Frage, warum eine pauschale Abwertung der Proteste gefährlich ist (Briefing #637). Was wir bislang nicht aufgeschrieben haben: Was soll man eigentlich tun, wenn Freunde und Bekannte mit Verschwörungsmythen ankommen? Die Krautreporter haben dazu eine interessante Gebrauchsanweisung veröffentlicht (€).
Irreführende Corona-Informationen finden Nutzerïnnen vor allem über YouTube und verbreiten sie über WhatsApp. So lautet das Ergebnis von CORRECTIV.Faktencheck, die mehr als 1800 Hinweise von Leserïnnen zu möglicher Desinformation über das Coronavirus ausgewertet haben.
Studie
Bundesnetzagentur veröffentlicht Bericht zu Online-Kommunikationsdiensten und stellt fest, dass die drei beliebtesten Dienste WhatsApp, Facebook Messenger und Instagram alle zum Facebook-Konzern gehören. Nein! Doch! Die Ergebnisse, die auf einer repräsentativen Verbraucherbefragung basieren, zeigen, dass rund 83 Prozent der Befragten regelmäßig OTT-Dienste nutzen – also solche, die über das Internet mit Hilfe von Smartphones erbracht werden. Laut Studie bestehe dabei vor allem in jüngeren Altersgruppen eine hohe Affinität zu diesen Diensten: der Nutzeranteil in der Gruppe der 16- bis 24-Jährigen liegt bei 98 Prozent. Mit anderen Worten: Quasi alle Heranwachsenden nutzen entweder WhatsApp (96 Prozent), Facebook Messenger (42 Prozent) oder Instagram (30 Prozent). Hui.
Follow the money
Facebook Shops könnte dem Unternehmen laut einer Untersuchung der Deutschen Bank bis zu 30 Milliarden Dollar an zusätzlichen Umsätzen einbringen, schreibt Business Insider. In Briefing #639 haben wir aufgeschrieben, was es mit Facebooks Shops auf sich hat.
Zuckerberg: drittreichster Mann der Welt: Laut Bloomberg hat Facebook-Chef Mark Zuckerberg sein Privatvermögen innerhalb der vergangenen zwei Monate um 30 Milliarden Dollar steigern können. Damit landet Zuck nun bei rund 89 Milliarden Dollar und auf Platz 3 der reichsten Männer der Welt. Auf Platz 1 und 2 befinden sich Jeff Bezos und Bill Gates.
Schon einmal im Briefing davon gehört
Peanuts: Es gibt ein neues soziales Netzwerk, das sich ausschließlich an Frauen richtet. 1,6 Millionen Nutzerinnen zählt die Plattform bislang. Jetzt hat Peanuts 12 Millionen Dollar Risikokapitel eingesammelt (Techcrunch), um weiter zu wachsen. 👀
Tipps und Tools
Trash ist so etwas wie Apples Rückblick-Funktion, nur eben auf Steroide. Zwar haben wir die App bislang nur einmal ausprobiert, die ihr zugrundeliegende Technik macht aber einen wirklich spannenden Eindruck: The Trash app’s new features can create AI-edited music videos and more (Techcrunch)
Stack bietet die Möglichkeit, Browser-basierte Dienste besser zu clustern. So lassen sich Tabs in sogenannten Stacks bündeln und schneller wiederfinden, bzw. benutzen: getstack.app.
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