Was ist

TikTok bezeichnet sich selbst als Unterhaltungsplattform und sieht sich nicht als Ort für politische Inhalte. Gleichwohl ist das Unternehmen seit Monaten Gegenstand zahlreicher politischer Diskussionen: Welche Rolle spielt TikTok als Propagandaplattform beim Krieg in Nahost? Warum ist die AfD auf TikTok so erfolgreich? Kommt ein TikTok-Verbot in den USA?

Auch seit unserer Ausgabe vom vergangenen Donnerstag ist wieder einiges passiert. Nachdem wir dir zunächst unsere jeweils gut gealterten Briefings zu den o.g. Themen noch einmal an die Hand geben möchten, sie funktionieren weiterhin gut als Einstieg in die jeweilige Debatte, bringen wir dich in unserem heutigen Briefing auf den aktuellen Stand.

TikTok: Propagandaplattform wider Willen
Instagram und TikTok hätten am liebsten gar nichts mit Politik zu tun. Doch der Krieg im Gazastreifen spiegelt sich als Propagandakrieg auf den Plattformen, wo Israel und die Hamas um Deutungshoheit ringen.
Warum die AfD auf TikTok dominiert – und was dagegen helfen könnte
TikTok, YouTube und Facebook sind fest in Hand der AfD, auf Instagram haben nur die Grünen mehr Follower. Woher kommt der Social-Media-Erfolg der Populisten und Extremisten?
TikTok-Verbot: Und was, wenn die USA wirklich Ernst machen?
Die USA wollen ByteDance mal wieder zwingen, TikTok zu verkaufen. Klingt nach „Und täglich grüßt das Murmeltier“, doch dieses Mal könnte die Drohung wahr werden.

AfD & TikTok

  • TikTok schmeißt AfD-Politiker aus dem „For You“-Feed: TikTok hat sich dazu durchgerungen, den rechtsextremen Hardliner und AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Maximilian Krah, für 90 Tage vom „For You“-Feed auszuschließen. Da die Europawahl in weniger als 90 Tagen stattfindet, ist das ein nicht zu unterschätzender Eingriff in die Mobilisierungsfähigkeit von Krah. Grund dafür ist die besondere Logik, nach der Inhalte auf TikTok verteilt werden. Es spielt auf der Plattform keine Rolle, ob ein Account viele Follower hat. Jeder Inhalt kann theoretisch von einem Millionenpublikum gesehen werden. Der „For You“-Feed macht es möglich. Genau von dieser Lotterie ist Krah nun ausgeschlossen. Künftig kann er seine Hetze gegen Geflüchtete, seinen homophoben Mist und das Gelaber vom "großen Bevölkerungsaustausch" nur noch seinen Followern erzählen. Und genau dafür ist die Plattform eigentlich nicht gebaut. (Spiegel)
  • TikTok entdeckt deutsches Netzwerk, das Pro-AfD-Narrative und Talking-Points russischer Staatsmedien verbreitet: Insgesamt habe das Unternehmen 32 zu dem Netzwerk gehörende Konten im vierten Quartal 2023 gelöscht. Welche Accounts genau von einer Sperrung betroffen sind, wird aus dem Transparenzbericht nicht ersichtlich. (TikTok)
  • Ob noch weitere Accounts gesperrt werden könnten, ist bisher nicht absehbar. Da aber derzeit eine große Debatte um die Reichweite der AfD auf TikTok tobt, ist nicht auszuschließen, dass die Plattform noch andere Politikerïnnen der AfD vom „For You“-Feed ausschließt, respektive es womöglich auch schon getan hat.
  • Prinzipiell ist es natürlich zu begrüßen, dass TikTok Menschen, die homo-, frauen- und transfeindliche Inhalte, Hetze gegen Geflüchtete und Verschwörungsmythen teilen, kein Megafon bietet. Gleichwohl ist zu befürchten, dass die Plattform nur aufgrund des medialen Drucks aktiv geworden ist. Wünschenswert wäre eine permanente Durchsetzung dieser Werte.
  • Go deeper: Wir haben uns mit den Kollegen von Lage der Nation ausführlicher über das Thema unterhalten — hier geht es zum Podcast.

Verbotsdebatte in den USA

  • Die TikTok-Verbotsdebatte in den USA hat sich etwas abgekühlt. Derzeit lässt sich der Senat informieren, was das Repräsentantenhaus dazu bewogen hat, den Gesetzesvorschlag in dieser unglaublichen Geschwindigkeit durchzupeitschen (SMWB). Bislang ist nämlich allen Beobachtern nicht so richtig klar, warum es dieses Mal in so großer Einstimmigkeit geschehen ist. Gibt es neue Hinweise für eine Einflussnahme durch die KP? Gibt es handfeste Hinweise dafür, dass TikTok an der schlechten mentalen Verfassung Hunderttausender US-Teens schuld ist? Oder doch einfach alles nur Politik? Die nächsten Tage werden hoffentlich Klarheit bringen. (The Hill)
  • TikTok hat jedenfalls einmal mehr seine Nutzerïnnen aufgerufen, bei ihren Abgeordneten gegen ein Verbot zu lobbyieren (Engadget). Schon beim ersten Aufruf, als es um die Abstimmung im Repräsentantenhaus ging, konnte das Unternehmen eine große Anzahl von Userïnnen überzeugen, zum Telefon zu greifen (Forbes). Vielerorts stand das Telefon nicht mehr still, unter Tränen flehten Teenager, Tiktok nicht dichtzumachen (The Verge). Genau das hat ironischerweise vielen US-Politikerïnnen aufgezeigt, wie kampagnenfähig TikTok ist…
What is Congress? What’s a congressman, can I have my TikTok back?
  • Die Folgen eines TikTok-Verbots: Sollte TikTok in den USA wirklich verboten, respektive ein Eigentümerwechsel erzwungen werden, könnte dies weitreichende Konsequenzen für die gesamte Social-Media-Landschaft haben, argumentiert Axios. Apps wie WhatsApp und Instagram gehören zu den am meisten heruntergeladenen Apps weltweit. Wer sagt denn, dass ihnen nicht ein ähnliches „Schicksal“ drohen könnte? Deshalb verhielten sich auch Unternehmen wie Meta und Snap derzeit auffallend ruhig.
  • Vorbild für Autokraten: Auch könnte ein Verbot von TikTok eine Blaupause für autokratische Staaten darstellen, um unliebsame Apps ebenfalls zu verbieten. Sollte die USA ein Verbot trotz der enormen Bedeutung des First Amendments durchsetzen, hätten andere Staaten wohl leichtes Spiel. (NBC News)
  • Wirtschaftliche Interessen: Die USA dominierten lange Zeit die App-Economy. In jüngster Vergangenheit legten aber Apps aus China immer stärker zu. Neben TikTok konnten sich CapCut (ebenfalls ByteDance), Shein und Temu Spitzenplätze in den Downloadcharts sichern. Zusätzlich zu den Sorgen um politische Einflussnahme, Nutzerdaten-Transfer und die mentale Gesundheit von Jugendlichen dürfte es bei der Verbotsdebatte auch um handfeste Wirtschaftsinteressen gehen. Die USA sorgen sich darum, in der Digitalwirtschaft von China überholt zu werden.
  • Verbot fraglich: Ob es aber wirklich zu einem Verbot kommt, bleibt weiter fraglich. Die Gefahr, eine junge Zielgruppe zu verärgern, hat das Wahlkampfteam der Demokraten jedenfalls längst erkannt. (Politico)

Social Media & Politik

  • Elon Musk sperrt Journalistïnnen, die die Identität eines bis dato nur unter seinem Pseudonym bekannten Neonazi-Comiczeichners auf X veröffentlicht haben. (Wired)
  • Die EU plant neue Richtlinien, wie Social-Media-Plattformen dabei helfen sollen, die Integrität von Wahlen zu schützen. (Reuters).
  • Google, Meta, Microsoft, Snap und TikTok haben einer freiwilligen Vereinbarung zugestimmt, Wahlen besser zu schützen. (IFES)

Follow the money

  • Reddit geht an die Börse: Heute ist es tatsächlich so weit: Das letzte Social-Media-Urgestein wagt den Schritt an die Börse. Zum Start soll eine Aktie gut 34 Dollar kosten, eine Bewertung von 6,5 Milliarden Dollar wird angestrebt. Das ist zwar deutlich weniger als vor einigen Jahren, als "the front page of the internet" noch mit gut 10 Milliarden Dollar bewertet wurde. Aber die Social-Media-Welt hat sich seitdem auch extrem weiterentwickelt: Text ist in den Hintergrund gerückt, Video hat an Bedeutung gewonnen. Ob und wie der Börsengang die Plattform verändern wird, werden die kommenden Monate zeigen. Klar ist: Reddit muss jetzt sehr viel mehr Geld verdienen. Das hat schon bei so mancher App dafür gesorgt, dass sich das Nutzungserlebnis drastisch verändert hat. (Golem)
  • Eine erste Idee, wie Reddit Geld verdienen möchte, besteht darin, Anzeigen zu schalten, die von regulären Posts kaum zu unterscheiden sind. Na, das ist doch mal ein (mieser) Anfang. (Search Engine Land)
  • Firmen wehren sich gegen Apples Sideloading-Pläne: Meta, Microsoft, X und die Match Group (Tinder & OkCupid) zeigen sich mit Apples Umsetzung der Forderung, nun auch Apps jenseits von Apples hauseigenen App Stores herunterladen zu können, nicht einverstanden. Grund dafür ist, dass Apple statt der 30 Prozent im eigenen App Store zumindest noch mit 27 Prozent am Umsatz beteiligt werden möchte. Können wir verstehen, dass da die anderen sagen: So war das jetzt nicht gedacht! (The Wall Street Journal)
  • TikTok: Neue Anreizsysteme: TikTok möchte gern zwei Dinge: Zum einen sollen Userïnnen längere Inhalte posten. Mit Kurzvideos lässt sich nur schwer Geld verdienen. Zum anderen sollen Creator Videos zu Themen posten, nach denen auf der Plattform gesucht wird. Read: TikTok möchte seine Position als Suchmaschine weiter ausbauen. Beides steuert das Unternehmen darüber, wer auf der Plattform künftig wie viel Geld verdienen kann. (The Verge)
  • Instagram: Längere Reels: Auch Instagram möchte, dass Nutzerïnnen längere Videos posten. Gern mit einer Länge von bis zu drei Minuten. Der Grund? Siehe oben. (Social Media Today)
  • BeReal hat Probleme neue Nutzerïnnen zu finden und demnächst wohl auch kein Geld mehr, berichtet Business Insider. Gehen da bald die Lichter aus? Kommt es zu einem Buyout? Schnappt sich eine der großen Plattformen die Mitarbeiterïnnen, macht die App aber dicht? Nous verrons bien.
  • Meta bietet Senkung des Abo-Preises an: Bezahlt jemand von euch dafür, Instagram ohne Werbung zu verwenden? Für 12,99 Euro können sich Nutzerïnnen bei Meta seit November 2023 davon freikaufen, dass ihre Informationen dafür verwendet werden, um Werbung anzuzeigen. Das Prinzip wird oft unter dem Titel „Pay or okay“ zusammengefasst. Eigentlich war die Einführung auch dafür gedacht, um neuen EU-Anforderungen gerecht zu werden. Doch schnell gab es großen Widerstand: zu teuer und überhaupt! Jetzt bietet Meta an, die Kosten zu senken (Reuters): von rund zehn auf dann sechs Euro (plus Steuern). Ob dies die Datenschützer überzeugt? Wir denken nein. Noyb, bitte übernehmen Sie!
  • Go deep: Falls du bislang nicht im Thema sein solltest, hier unser Hintergrundartikel zum Thema Paid Social:
Paid Social Media: Warum immer mehr Plattformen Abomodelle anbieten
Biete soziales Netzwerk, suche deine Aufmerksamkeit für unsere Werbung: Mit diesem Geschäftsmodell verdienen Konzerne wie Meta und TikTok Milliarden. Warum also kommen sie jetzt mit werbefreien Bezahlmodellen um die Ecke?

Next (AR, VR, KI, Metaverse)

  • YouTube führt KI-Label ein: YouTube verlangt nun eine Kennzeichnung, wenn Videos mittels KI produziert wurden. (TechCrunch)
  • Google präsentiert VLOGGER — eine KI, die Fotos zum Leben erwecken kann. (Venture Beat)
  • Apple plant Integration von Gemini: Mit OpenAI habe Apple zwar auch gesprochen, aber aktuell sieht es danach aus, dass Googles KI-Tool Gemini in künftigen iPhones eine größere Rolle spielen könnte (Bloomberg). Das ist einfach spannend, wenn ein Milliardenkonzern wie Apple zum Ergebnis kommt, dass es besser ist, das Tool eines Mitbewerbers zu lizenzieren, als selbst eins zu bauen. 👀
  • OpenAI: GPT Store kommt nicht aus dem Quark: Hach, was war die Aufregung groß! Nachdem wir noch ganz beduselt waren hinsichtlich der Fähigkeiten von ChatGPT, glaubten viele Branchenbeobachter, dass OpenAIs GPT Store die Zukunft sei. Jede/r würde sich künftig auf der Grundlage von ChatGPT einfach seine eigenen GPT-Anwendungen bauen. Doch siehe da: So viele Leute juckt das Angebot gar nicht. (The Information)

Schon einmal im Briefing gehört

  • Didthis: Mozilla startet einen neuen Onlinedienst: Didthis ist für Menschen gedacht, die eine Art Onlinetagebuch führen wollen. Zunächst noch ohne große Social-Features, einfach nur Updates zu eigenen Projekten veröffentlichen und wahlweise mit Freunden teilen. That is did this. Bei aller Sympathie für neue Angebote allgemein und Mozilla im Speziellen: Wir geben der Sache sechs Monate. (Golem)
  • Das habe ich bei Nebula gesehen: Was? Du kennst Nebula.tv noch gar nicht? Das ist das neue Vice. Oder zumindest das neue Youtube für Nachrichten. Oder jedenfalls ein neues Web-TV-Angebot, das sich nun anschickt, all jenen die Weltlage zu erklären, die ihre News voranging über Social Media erhalten. 680.000 Abos hat Nebula insgesamt schon verkauft. Uns war das Angebot bislang kein Begriff.

Neue Features bei den Plattformen

Facebook

  • Facebook möchte, dass sich User wieder poken. Why?! (TechCrunch)

Instagram

  • Instagram-Nutzerïnnen können bald bis zu 15 Fotos oder Videos in einem Karussell teilen. Mehr, mehr, mehr!!! (Threads / Lia Haberman)

TikTok

  • TikTok launcht Influencer Audio Clips. Dritte können dadurch die Stimmen von bekannten TikTokern verwenden, um ihre eigenen Videos „aufzuwerten“. (TikTok)

LinkedIn

  • LinkedIn arbeitet daran, Games auf die Plattform zu bringen. Wir dachten immer, LinkedIn wäre ein Spiel! (TechCrunch)

X

  • Die Plattform, die ehemals ein zentraler Bestandteil der weltweiten Kommunikation war und dann von einem rechtsextremen Verschwörungsideologen mit viel zu viel Geld erst aufgekauft und dann in Schutt und Asche gelegt wurde, hat ein neues Feature: Follower sollen untereinander mitbekommen, welche Posts gepinnt wurden. (Social Media Today)

Threads

  • Threads hat damit begonnen, das Trends-Feature an alle US-Nutzerïnnen auszurollen. Wir wollen auch! Gizmodo)

Snapchat

  • Snapchat wurde einst für die Einführung von Nachrichten, die sich nach dem Lesen in Luft auflösen, zunächst belächelt und dann gefeiert. Nun führt die App, die Erwachsene auch 2024 weiterhin nicht für sich entdeckt haben, eine Funktion ein, mit der Nachrichten von ausgewählten Freunden dauerhaft gespeichert werden können. Ja, sind denn alle verückt geworden?! (Axios)

Linktree

  • Linktree bastelt an einem Feature, das eine Vorschau von YouTube- und Instagram-Inhalten ermöglicht.

Crowdtangle

  • CrowdTangle macht im August endgültig dicht. Das ist sehr, sehr schade! Künftig können nur noch ausgewählte Wissenschaftlerïnnen prüfen, welche Inhalte auf Facebook zirkulieren. Journalistïnnen müssen leider draußen bleiben. Passt zu Meta. (Crowdtangle)