Eigentlich hatten wir uns fest vorgenommen, nicht mehr über das potenzielle TikTok-Aus zu schreiben, bis eine finale Einigung erzielt worden ist. Das ist auch Stand heute bisher nicht der Fall. Es deutet aber alles darauf hin, dass nach einem Telefonat zwischen Donald Trump und Xi Jinping am morgigen Freitag ein Durchbruch in dieser Causa verkündet wird.

Damit dürfte dann ein unwürdiges Schauspiel enden, bei dem es letztlich nie um ernsthafte Sorgen um US-Nutzerïnnen, Spionage und Manipulation ging, sondern stets um Geld, Ego und Macht. Aber der Reihe nach.

Was war

Wir zitieren aus unserem Briefing vom 10.12.2024 (SMWB)

Seit mehr als vier Jahren droht TikTok in den USA immer wieder ein Verbot. Einst versuchte es Donald Trump mit zwei Executive Orders (SMWB), zwischenzeitlich stand ein erzwungener Verkauf an Oracle im Raum (SMWB). Die damaligen Versuche scheiterten vor Gericht.
Im März 2024 machten Demokraten und Republikaner einen neuen Vorstoß. Repräsentantenhaus und Senat stimmten einem Gesetzentwurf zu, der TikToks Eigentümer ByteDance unter Druck setzt: Entweder wird die US-Version von TikTok verkauft, oder die USA verbieten die App.
Der "Protecting Americans from Foreign Adversary Controlled Applications Act" soll verhindern, dass "foreign adversary countries" Plattformen mit mehr als einer Million monatlich aktiven Nutzerïnnen in den USA betreiben. Die fraglichen Länder sind Nordkorea, Russland, Iran und China.
De facto richtet sich der Gesetzentwurf aber spezifisch gegen ByteDance und TikTok. Beide Unternehmen werden mehrfach explizit erwähnt. Der chinesische Eigentümer soll die US-Version von TikTok verkaufen. Andernfalls müssten Apple und Google sowie Internetprovider verhindern, dass die App aktualisiert und heruntergeladen wird.
Für das Gesetz werden drei zentrale Argumente angeführt: TikTok schade Kindern und Jugendlichen, sensible Daten könnten nach China abfließen, die KP könne durch Änderungen an den Algorithmen die öffentliche Meinung manipulieren.

Im April 2024 unterzeichnete der (ehemalige) US-Präsident Joe Biden das Gesetz. Seitdem tickte die Uhr: TikTok blieben 270 Tage, um einen Käufer zu finden. Doch dazu kam es nicht. Am 19. Januar 2025, einen Tag vor der Amtseinführung des aktuellen US-Präsidenten Donald Trump, lief die Frist ab. Seitdem wird eine Fristverlängerung nach der nächsten gewährt. Erst vorgestern verlängerte die US-Administration einmal mehr die Frist bis zum 16.12.2025 (White House).

Was (vermutlich) ist

  • Der Deal: Wie das Wall Street Journal verkündet, scheint nun aber tatsächlich der Durchbruch erzielt und der Verkauf des US-Geschäfts vor dem Abschluss zu stehen. Im Rahmen von Handelsgesprächen in Spanien hätten sich China und die USA demnach auf einen Rahmenvertrag geeinigt. Ein zentrales Hindernis wurde dabei offenbar ausgeräumt: Der Algorithmus bleibt in chinesischer Hand und wird an die neuen Eigentümer lediglich lizenziert. Die ganze Debatte um eine mögliche Manipulation der Inhalte durch das chinesische Regime würde sich damit als große Farce erweisen.
  • Die Investoren: TikToks chinesisches Mutterhaus ByteDance wird voraussichtlich einen Minderheitsanteil von rund 20 Prozent an „TikTok US“ halten. Zu den neuen Investoren gehören aller Voraussicht nach Silver Lake, Oracle und Andreessen Horowitz, die insgesamt rund 50 Prozent der Anteile übernehmen könnten. Bestehende Investoren wie Sequoia, Susquehanna International Group, KKR, Coatue und General Atlantic bleiben an Bord und halten gut 30 Prozent der Anteile.
  • Die Führungsebene: Der derzeitige TikTok-CEO Shou Chew wird die neue US-App vermutlich nicht leiten, da das globale und das amerikanische Geschäft getrennt werden, mutmaßt The Information. Ob Chew überhaupt weiter bei TikTok an Bord bleibt, ist nicht absehbar. In den vergangenen Monaten haben bei TikTok so viele hochrangige Führungskräfte ihren Hut genommen, dass es nicht weiter wundern würde, sollte Chew nun ebenfalls eretzt werden. Als mögliche interne Option für den Chefposten der neuen „TikTok US“-App gilt Adam Presser, der ehemals im Team Trust & Safety bei TikTok tätig war. Vorstellbar ist aber auch, dass ein/e neue/r CEO aus dem Umfeld von Trump gewählt wird. Dem neuen Verwaltungsrat wird definitiv ein Trump-Vertrauter angehören.
  • Die App: TikTok arbeitet Berichten zufolge bereits seit geraumer Zeit an einer neuen Version der App speziell für US-Nutzerïnnen (Wall Street Journal). Die alte Version der App könnte dann in den USA eingestellt werden, sodass die Nutzer zur neuen Version „TikTok US“ wechseln müssten. Wie viele Menschen zur neuen US-App wechseln, darf mit Spannung erwartet werden. Welche Inhalte dann zudem in den USA zur Verfügung stehen und inwieweit US-Inhalte im Rest der Welt zu sehen sind, ist ebenfalls noch überhaupt nicht klar. Inhalte der chinesischen Variante von TikTok, Douyin, tauchen jedenfalls in den Feeds westlicher Nutzerïnnen nicht auf. Sollte bei „TikTok US“ eine ähnlich rigorose Trennung vorgenommen werden, würde sich das Medienmenü von Millionen Menschen verändern.

Be smart

Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Es ist bislang nicht klar, auf welche Art der Deal zustande kommt. Auch ist nicht klar, wer welche Zugeständnisse gemacht hat und auf welche anderen Geschäfte zwischen den USA und China der Deal rund um TikTok am Ende einzahlt.

Sehr wohl wird aber deutlich, dass es bei der Auseinandersetzung spätestens seit der Übernahme der Regierungsgeschäfte durch das Kabinett Trump 2 nicht mehr darum ging, US-Nutzerïnnen vor Spionage oder Manipulation zu schützen.

Eher steht zu befürchten, dass die Trump-Buddies, Milliardäre und MAGA-Sympathisanten Marc Andreessen und Larry Ellison (Oracle) die US-Version von TikTok in ein rechtspopulistisches Propagandawerkzeug nach Muskschem Vorbild verwandeln. Zwar gehört ihnen nicht der Algorithmus, über neue Hausregeln können sie aber sehr wohl gehörigen Einfluss auf die App nehmen.

Wäre es der US-Politik wirklich um den Schutz der Userïnnen gegangen, hätte sie unlängst bessere Datenschutzgesetze auf den Weg bringen können. Karl Bode warnt bei Techdirt (Übersetzt mit Deepl):

Amerikanische Autoritäre folgen dem gleichen Drehbuch, das wir in Ländern wie Ungarn gesehen haben, wo neue und alte Medien und der Journalismus entweder zerstört oder im Dienste einer autoritären Führung gekapert werden. Das geschieht hier und jetzt, und das Mindeste, was ethisch denkende Menschen tun können, ist, dies zu erkennen und dagegen anzukämpfen.

Politics

  • Kimmel got canceled: ABCs Late-Night-Host Jimmy Kimmel darf wegen seiner Aussagen zum Tod von Charlie Kirk vorerst nicht auf Sendung gehen (CNN). Disney, der Mutterkonzern von ABC, ist damit der nächste Mega-Konzern, der vor Trump einknickt. In seiner Show (YouTube / Jimmy Kimmel Live) hatte Kimmel die MAGA-Bewegung für die politische Vereinnahmung von Kirks Tod kritisiert (übersetzt mit Deepl):
Am Wochenende haben wir neue Tiefpunkte erreicht, als die MAGA-Gang verzweifelt versuchte, diesen Jungen, der Charlie Kirk ermordet hat, als alles andere als einen der ihren darzustellen, und alles in ihrer Macht Stehende tat, um daraus politisches Kapital zu schlagen.
  • Daraufhin drohte (Status) Brendan Carr, Chef der Federal Communications Commission, Disney öffentlich in einem Gespräch beim Rechtsaußen-Pundit Benny Johnson (Deepl):
Dies ist derzeit ein sehr, sehr ernstes Problem für Disney. Wir können dies auf die einfache oder auf die harte Tour angehen. Diese Unternehmen können Wege finden, gegen Kimmel vorzugehen, oder es wird zusätzliche Arbeit für die FCC geben.

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