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Was ist

Wir setzen unseren kleinen KI-Schwerpunkt fort. Nach dem Blick auf Googles KI-Vision, einem Plädoyer für bessere KI-Kritik und unserer Analyse der Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt beschäftigen wir uns heute mit einer der Schattenseiten der KI-Revolution. Es geht um den gewaltigen Ressourcenverbrauch der Rechenzentren, die für Sprachmodelle und andere KI-Anwendungen nötig sind.

Warum das wichtig ist

Wir haben nur eine Erde, aber die Menschheit verhält sich so, als könnten wir einfach auf den Mars übersiedeln, wenn wir unseren Planeten zerstört haben. Dieses Problem wird auch KI nicht lösen – im Gegenteil: Training und Betrieb von LLMs benötigen enorme Rechenleistung und damit Energie.

„Cloud“ ist ein schwereloser, irreführender Begriff. Der Strommix, der Server und Rechenzentren speist, ist vergleichsweise dreckig. Sie benötigen konstante Leistung, die erneuerbare Energien nicht immer zuverlässig liefern. Zudem befinden sich viele Datenzentren in Regionen, die stark auf fossile Energieträger wie Kohle, Gas und Öl setzen. Der Wasserverbrauch für die Kühlung der Anlagen ist ein weiteres ungelöstes Problem.

Verglichen mit anderen Branchen war der Ressourcenverbrauch von KI lange überschaubar. Das ändert sich aber gerade. Weltweit werden neue Rechenzentren gebaut, teils ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse der Menschen vor Ort. Das halbe Silicon Valley interessiert sich plötzlich wieder für Atomkraft und bereitet sich darauf vor, dass KI zu einem der größten Ressourcenfresser des 21. Jahrhunderts wird.

Das wirft eine Frage auf, die angesichts der angeblichen Alternativlosigkeit der KI-Revolution oft untergeht: Rechtfertigt das Potenzial der Technologie die Folgen für Klima und Umwelt?

Wie Big Tech mauert

In den vergangenen Wochen sind mehrere Recherchen und Berechnungen erschienen, die versuchen, den ökologischen Fußabdruck von KI zu ermitteln. Eines vorab: Es handelt sich nur um Schätzungen, nicht um exakte Angaben.

Big Tech gibt sich gern umweltbewusst, lässt aber jegliche Transparenz vermissen, wenn es um den Energiebedarf von KI geht. Google, Meta, Microsoft und OpenAI machen darum ein ebenso großes Geheimnis wie um das Trainingsmaterial ihrer Sprachmodelle.

Deshalb verzichten wir darauf, exakte Zahlen und Prognosen wiederzugeben. Obwohl Dutzende Forscherïnnen beteiligt waren und unabhängig voneinander zu ähnlichen Ergebnissen kamen, suggerieren detaillierte Angaben eine Gewissheit, die es schlicht nicht gibt. Dafür sind zu viele Variablen nicht bekannt.

Die Quellen

Bevor wir die wichtigsten Aussagen zusammenfassen, geben wir einen Überblick der Quellen. Alle Texte, die wir hier auflisten, sind fundiert und empfehlenswert, um tiefer in das Thema einzusteigen.

Die Ergebnisse

  • Deine Prompts sind nicht das Problem: Wer gern ChatGPT nutzt, muss kein schlechtes Gewissen haben. Sprachmodelle benötigen zwar mehr Energie als eine Google-Suche, trotzdem macht die individuelle Nutzung von Chatbots nur einen kleinen einstelligen Prozentanteil des gesamten Ressourcenverbrauchs von KI aus. Es gibt Dutzende Verhaltensänderungen, die mehr bewirken, als weniger generative KI zu nutzen. Für die meisten Menschen ist ChatGPT nur ein Rundungsfehler in der persönlichen Energiebilanz.
  • Finger weg von Videos: Die gerade getroffene Aussage gilt für Texte und Bilder, aber ausdrücklich nicht für Videos. Insbesondere neue Modelle wie Veo 3 schlucken enorm viel Energie. Bereits ein fünfsekündiges Video benötigt rund 700 Mal mehr Energie als ein einzelnes Bild. Wer regelmäßig hochauflösende Videos generieren lässt, vergrößert seinen ökologischen Fußabdruck signifikant.
  • Der Ressourcenverbrauch schwankt stark: Neben der Intransparenz der Tech-Konzerne tragen weitere Faktoren dazu bei, dass sich der Energiebedarf von KI nur sehr grob ermitteln lässt. Aktuelle Sprachmodelle unterscheiden sich stark in ihrer Effizienz, auch die Komplexität des Prompts ist wichtig. Wenn man ganze Bücher hochlädt oder Deep-Research-Funktionen nutzt, muss logischerweise viel mehr gerechnet werden als bei einer simplen Frage. Zudem ist unklar, welche Modelle auf welche Rechenzentren zugreifen. Davon hängt wiederum der Wasserverbrauch und der Strommix ab, der wiederum maßgeblich für den CO₂-Verbrauch ist.
  • Rechenzentren werden zum Problem: Bereits jetzt verbrauchen Rechenzentren in den USA etwa so viel Strom wie ganz Thailand. Davon entfallen zwischen einem Viertel und einem Drittel auf Training und Betrieb von KI-Modellen. Dieser Anteil wird stark steigen, Prognosen gehen von einer Verdreifachung bis 2028 aus. Dafür sind Konzerne verantwortlich, die KI in alle Dienste und Produkte zwingen wollen.
  • Atomkraft und fossile Energieträger kommen zurück: Erneuerbare Energien können den steigenden Bedarf der Rechenzentren nicht komplett decken. Amazon, Google und Microsoft setzen deshalb seit Längerem wieder auf Atomkraft und bauen entweder neue Kernkraftwerke oder reaktivieren stillgelegte Reaktoren. Erst Anfang der Woche verkündete Meta, dass man dem Energieunternehmen Constellation Energy 20 Jahre lang Strom aus einem Kernkraftwerk abnehmen werde. Gleichzeitig setzt der Konzern auf Gaskraftwerke, die bei Demokraten und vor Ort aber auf Widerstand stoßen (The Verge).

Was Hoffnung macht

Das klingt alles ziemlich ernüchternd. Manche Entwicklungen können aber Mut machen. MIT Technology Review zählt vier Gründe auf, die Anlass für Optimismus geben:

  1. Sprachmodelle werden effizienter.
  2. Chips werden effizienter.
  3. Kühlung wird effizienter.
  4. Tech-Konzerne haben ein massives Eigeninteresse daran, ihren Ressourcenverbrauch möglichst gering zu halten: Sie sparen damit Geld.

Das führt zu einem leicht sarkastischen, aber dennoch hoffnungsvollen Fazit:

KI wird schnell zur Massenware, sodass der Wettbewerb die Preise nach unten drücken wird. Um mithalten zu können, werden Unternehmen – schon aus rein finanziellen Gründen – ihren Energieverbrauch senken wollen.
Am Ende könnte uns ausgerechnet der Kapitalismus retten.

Be smart

Wenn es um KI, größenwahnsinnige Bauprojekte und die Ausbeutung natürlicher Ressourcen geht, darf einer nicht fehlen: Elon „Elektroautos retten die Umwelt“ Musk. Mit xAI ist er spät ins KI-Wettrennen eingestiegen und hat gewaltig investiert, um aufzuholen.

Unter anderem ist in Memphis ein gigantisches Rechenzentrum entstanden, das von 35 Gasturbinen angetrieben wird (Washington Post). Die Abgase verpesten die überwiegend arme Nachbarschaft. Viele Menschen klagen über Atembeschwerden und Asthma und müssen sich im Krankenhaus behandeln lassen (Politico).

Diese 17-minütige YouTube-Dokumentation vermittelt eindrücklich, was die Rücksichtslosigkeit von Musk für die Bevölkerung vor Ort bedeutet. Leider ist es wie so oft in der Geschichte: Technologischer Fortschritt geht zulasten von Menschen, die keine Stimme haben und sich nicht gegen die Ausbeutung wehren können.


Politics

  • Einmal zahlen, bitte! Kulturstaatsminister Wolfram Weimer setzt sich für die Einführung einer Digitalsteuer in Deutschland ein. Was hinter der Idee steckt und warum sich die EU bei diesem Thema so schwer einigen kann, erklärt Thomas Rudl drüben bei den Kollegïnnen von Netzpolitik.

Money

  • OpenAI feiert drei Millionen zahlende Nutzerïnnen: Im Februar waren es gerade einmal zwei Millionen. (CNBC)
  • Bluesky will einen Bogen um Werbung machen — hat aber bislang offenbar noch keine wirkliche Idee entwickeln können, wie ein alternatives Geschäftsmodell aussehen könnte. Im Interview bei Business Insider gibt Bluesky-Chefin Jay Graber zu Protokoll:
I think ads work their way into every attention economy. But we are very wary of going down the ad-driven path, because we know that's the history of Twitter and a lot of other sites — particularly when you lock users in around your timeline, you do a lot of things to start actually making the timeline more engaging, but in some ways worse in order to keep users on there. (…) I think there's probably a new relationship that needs to be found with advertising.
  • Werbewirtschaft blickt wenig optimistisch auf die kommende Zeit, zu volatil sei der klassische Werbemarkt aktuell, heißt es auf einem Branchentreffen von The Information. Influencer-Marketing stehe hingegen zunehmend hoch im Kurs. Creator könnten sich einfach schneller und unkomplizierter anpassen, so die Logik. Tja, ist nur die Frage, wie lange sie das durchhalten können.

Next

  • ChatGPT-Nutzerïnnen können jetzt ihre Dokumente scannen lassen: Das Feature ermöglicht es Userïnnen, ihre Dateien bei Google Drive, Dropbox, Box, Sharepoint und OneDrive nach bestimmten Informationen durchforsten zu lassen. The Verge nennt zwei Beispiele:
“What was my company’s revenue in Q1 last year?” or “Tell me how many times I took the ferry on my Italy trip last year.”
  • Facebook arbeitet an Echtzeit-Übersetzung: Dadurch könnten Creator ihre Videos lippensynchron in verschiedensten Sprachen anbieten. Big in Japan! (The Information)
  • Reddit verklagt Anthropic: Das KI-Unternehmen habe Reddit zufolge mehr als 100.000 Mal Reddit nach Inhalten abgegrast, um das eigene Sprachmodell zu trainieren. Natürlich ohne zu fragen und ohne dafür zu bezahlen. Fair use? Die Gerichte werden es (hoffentlich!) bald entscheiden. (Bloomberg)
  • Meta arbeitet mit Disney an exklusiven Inhalten, um den Verkauf der hauseigenen VR-Brillen voranzutreiben. (Wall Street Journal)
  • USA: „AI Safety Institute“ heißt jetzt "Center for AI Standards and Innovation“: Sicherheit wird im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz ja eh überbewertet 🫣 (U.S. Department of Commerce)

  • Kurz-Videos helfen Podcasts: Wer sich für seinen Podcast mehr Aufmerksamkeit wünscht, solle unbedingt einzelne Passagen als Kurz-Videos teilen, heißt es auf einer Konferenz bei The Information. Selbst wenn niemand klickt, sei das immer noch hilfreich für die „brand awareness“, so die Experten. Ja, ja. Schon klar. Aber das setzt ja auch voraus, dass der Podcast überhaupt auch als Video aufgenommen wurde.
  • Pinterest veröffentlicht Trend-Report: Demnach suchen Userïnnen bei Pinterest aktuell vor allem nach den folgenden beiden Begriffen: „digital detox ideas“ (+72 Prozent) und „digital detox vision boards“ (+273 Prozent). No pun intended. (Pinterest Newsroom)
  • Wie nutzen Leute KI? Während wir bei Social Media stets eine ganz gute Idee davon hatten, was Leute auf den Plattformen so anstellen, entzieht sich die Nutzung von KI noch völlig der öffentlichen Wahrnehmung. Es gibt keine Dashboards, auf denen wir sehen, was geklickt oder geteilt wird. Die Prompts erfolgen im Verborgenen, nur die Plattformen selbst haben Zugriff auf die Statistiken. Ziemlich undurchsichtig alles. So überrascht es nicht, wenn ein Foto viral geht, das einen Menschen in der U-Bahn zeigt, der sich offensichtlich recht intim mit „seinem“ Chatbot unterhält. Mal abgesehen davon, dass es mehr als fragwürdig ist, so ein Foto zu machen und zu posten, zeigt es doch vor allem die Neugier aller: Wie nutzen andere eigentlich KI 🤔 (Garbage Day)
Quelle: x.com/YedIin

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