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Europa nimmt die Regulierung in die eigenen Hände | Creator klagen über maue Einnahmen bei TikTok | 3 LinkedIn-Hacks | Instagram gibt alles zum Remi

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Europa nimmt die Regulierung in die eigenen Hände

Was ist

Vergangene Woche hat das Europaparlament seine Position zum Digital Services Act (DSA) beschlossen. Das Gesetz soll die Grundrechte und das Mitspracherecht der Nutzerïnnen im Netz stärken, Online-Plattformen transparenter machen und strengere Regeln für den Umgang mit illegalen Inhalten festschreiben.

Warum das wichtig ist

Das Gesetzespaket aus DSA und Digital Markets Act (DMA), der fairen Wettbewerb zwischen Konzernen und Start-ups garantieren soll, könnte das wichtigste Regulierungsvorhaben der jüngeren Internetgeschichte werden. Es wird die Machtverhältnisse im Netz nicht auf den Kopf stellen, dürfte aber größere Auswirkungen haben als etwa DSGVO und EU-Urheberrechtsreform.

Damit entwickelt sich Europa zunehmend zur treibenden Kraft der digitalen Regulierung. In den USA gibt es zwar mehrere Gesetzesentwürfe (Axios), die Teilaspekte des DSA abdecken und ähnliche Maßnahmen vorsehen. Doch angesichts der teils diametral entgegengesetzten Positionen von Demokraten und Republikanern ist es unklar, ob und wann diese Vorhaben umgesetzt werden – und was dann noch davon übrig ist.

Warum Vorsicht geboten ist

Bislang gibt es keine finale Verfassung, sondern unterschiedliche Entwürfe des EU-Parlaments, der Kommission und des Rats. Noch kurz vor der Abstimmung des Parlaments wurden wichtige Passagen geändert, etwa bei der Online-Werbung und den Regeln für Porno-Portale.

So wird es auch weitergehen: Branchenverbände, Unternehmen und Lobby-Organisationen werden versuchen, Einfluss auf die Gesetzgebung zu nehmen. Seit die EU-Kommission Ende 2020 ihren Entwurf vorstellte, gab es mehr als 600 Treffen mit Lobbyistïnnen, zuvorderst Google (23), Meta (16), Amazon (15) und Microsoft (12). Vergangene Woche warnte Lobby-Control, der DSA drohe verwässert zu werden:

Mehr als 97 Mio. Euro gibt die Digitallobby nach offiziellen Angaben in Europa für Lobbyarbeit aus. Hinzu kommen Millionen für Imagewerbung von Google und Facebook in Zeitungen und Online aus. Offenbar mit Wirkung: Eine ursprünglich diskutierte stärkere Regulierung von personalisierter Werbung wurde deutlich aufgeweicht, wie die aktuellen Vorschläge der EU-Kommission und des Europäischen Parlaments zeigen.

Besonders deutlich wird die Einflussnahme beim erwähnten, ursprünglich geplanten Verbot verhaltensbasierter Werbung. Ingo Dachwitz beschreibt (Netzpolitik), mit welchen Methoden die betroffenen Verbände und Konzerne dagegen Stimmung machten – natürlich mit verhaltensbasierter Werbung:

Um ein generelles Verbot abzuwehren, setzte die Datenindustrie nicht nur auf zahlreiche Lobbytreffen mit Abgeordneten, sondern auch auf Öffentlichkeitsarbeit. Corporate Europe Observatory berichtet unter anderem von einer millionenschweren Print-Anzeigen-Kampagne von Facebook und Microtargeting-Werbung in Sozialen Medien. Unter anderem haben dem Report zufolge die Branchenverbände IAB und CCIA sowie Amazon auf Twitter gezielt Menschen mit Werbung zu dem Thema bespielt, die ein ähnliches Profil haben wie einflussreiche Journalist:innen des Politik-Mediums Politico.

Wir wissen also nicht, welche der aktuell diskutierten Vorschläge sich später im Gesetz finden werden. Unsere Erfahrungen mit DSGVO und insbesondere der Urheberrechtsreform zeigen, dass sich auf den letzten Metern noch jede Menge ändern kann.

Deshalb beschäftigen wir uns nicht mit den Details der Entwürfe, weil wir davon ausgehen, dass ein Teil davon eh bald wieder obsolet sein wird. Das heben wir uns für einen späteren Zeitpunkt auf und geben nur einen groben Überblick der Politikfelder, die der DSA neu gestalten will.

Was der DSA regelt

Wie es weitergeht

Nachdem EU-Kommission, Rat und Parlament ihre Position festgelegt haben, beginnen nun die Trilog-Verhandlungen. Noch bis Ende Juni hat Frankreich den Ratsvorsitz inne und möchte DSA und DMA bis dahin beschließen. Das gilt aber als ambitioniert, womöglich dauert es länger.

Falls das Gesetzespaket tatsächlich bis zum Sommer steht, tritt es trotzdem nicht sofort in Kraft. Zwar handelt es sich um Verordnungen, die im Gegensatz zu Richtlinien nicht erst von den Parlamenten der Mitgliedsstaaten in nationales Recht überführt werden müssen. Da DSA und DMA weitreichende Folgen hätten, könnte die EU den betroffenen Unternehmen aber bis zu 18 Monate Zeit geben, um die Vorgaben umzusetzen.

Be smart

Über Weihnachten haben viele Menschen ihren Eltern, Großeltern oder anderen Verwandten Smartphones eingerichtet und Online-Konten angelegt. Das ist eine interessante Erfahrung, weil man sieht, wie Nutzerïnnen mit Technik umgehen, die weniger Zeit damit verbringen und weniger davon verstehen – und weil man eine Idee bekommt, wie Regulierung wirklich helfen könnte: Was wäre, wenn standardmäßig keine oder nur die minimal nötige Menge an Daten gesammelt werden dürften?

Soziale Netzwerke, Suchmaschinenbetreiber und App-Entwicklerïnnen müssten Menschen erst erklären, warum es womöglich in ihrem Interesse liegt, bestimmte Daten preiszugeben, statt einfach alle Datenschleusen von der ersten Sekunde an zu öffnen. Tatsächlich kann es dafür gute Gründe geben, aber die aktuelle Standardeinstellung kann nicht im Sinne der Nutzerïnnen sein.


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Netzkulturcharts: Zu guter Letzt ein Tipp: Kollege Dirk von Gehlen präsentiert jeden Monat seine ganz persönlichen Netzkulturcharts – eine subjektive Auswahl an Memes und Hypes. Dirk ist immer auf der Suche nach Tipps und Hinweisen. Wer mag, kann mit Dirk gern jederzeit Kontakt aufnehmen. Wir präsentieren heute in Absprache mit Dirk Platz 1 seiner Januar-Charts:

Fünf Buchstaben, sechs Versuche – das sind die Eckdaten für den Frühjahrs-Hype des Jahres 2022 im Netz: Wordle ist ein schlichtes Wortratespiel, dessen Ergebnis-Quadrate derzeit alle Timelines in grün, gelb und grau erstrahlen lassen (siehe Bild rechts). Wer einen richtigen Buchstaben errät, erhält ein gelbes Feld, wenn dieser auch noch auf der richtigen Stelle steht, erstrahlt das Feld grün. Mit diesen Hinweisen muss täglich ein – und nur ein – Wort erraten werden. Im WDR hat Dennis Horn den Hype erklärt und das deutschsprachige Angebote Wordle.at empfohlen. Das englischsprachige Original wurde im vergangenen Oktober von Josh Wardle gemeinsam mit seiner Freundin Palak Shah erfunden. In diesem Slate-Interview spricht er über den erstaunlichen Erfolg des Spiels, der unter anderem mit der Verlinkung in einem New York Times-Newsletter und Neuseeland zu tun hatte. Die NYT wiederum widmete sich in einer eigenen Hymne dem Spiel, das vor allem deshalb so toll ist, weil es so schlicht und so wenig auf den Hype hin erstellt wurde. Deshalb muss man genau diesen genau jetzt loben!


Header-Foto von Svyatoslav Romanov