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Wie Twitter sich neu erfinden will | Das Dilemma der Content Moderation | Facebook News startet in Deutschland

Wie Twitter sich neu erfinden will | Das Dilemma der Content Moderation | Facebook News startet in Deutschland

Wie Twitter sich neu erfinden will

Was ist

Vergangene Woche veranstaltete Twitter zum ersten Mal seit 2014 wieder einen Analysten-Tag (Twitter Investor Relations), und Jack Dorsey hatte einiges zu verkünden. Neben ambitionierten Zielen – der Umsatz soll sich bis 2023 auf 7,5 Milliarden Dollar pro Jahr verdoppeln – waren das vor allem neue Funktionen:

Warum das wichtig ist

Die Ankündigungen sind mehr als nur ein paar nette Features. Zum einen zeigen sie, wie stark sich Twitter im vergangenen Jahr gewandelt hat. Die Produktentwicklung stockte zuvor jahrelang (The Verge). Das gibt auch Dorsey zu, der sagt, dass sein Unternehmen langsam und wenig innovativ war.

Doch 2020 legte sich der Twitter-Chef nicht nur mit Donald Trump an, sondern brachte auch jede Menge neuer Funktionen auf den Weg. Dorsey, den die Investoren-Gruppe rundum Elliott Management Anfang des vergangenen Jahres angeblich loswerden wollte (Bloomberg), scheint den Turnaround geschafft zu haben.

Zum anderen wird deutlich, dass zwei der Entwicklungen, die wir in unseren Briefings immer wieder beleuchten, wohl mehr sind als kurzfristige Trends: Die großen Plattformen werden immer erbitterter um die kreativsten Content-Creators kämpfen, die exklusive Inhalte produzieren. Und sie werden ihren wertvollsten Nutzerïnnen mehr Möglichkeiten an die Hand geben, ihre Präsenz zu monetarisieren – nicht nur in Form von Werbeeinnahmen, sondern zunehmend über Abonnements und direkte Geldtransfers von Fans zu Creators.

Super Follows

Communities

Safety Mode

Be smart

Wir führen beide eine On-off-Beziehung mit Twitter. Mal schreiben wir drei Tage am Stück, mal verstummen wir für drei Wochen, weil wir genervt sind von all der Aggressivität und Rechthaberei, mit der Menschen dort aufeinander herumhacken. Das liegt aber vermutlich eher an uns als an Twitter, schließlich baut sich jeder seine Timeline selbst zusammen.

Trotzdem freuen wir uns, dass Dorsey Twitter wieder auf Kurs gebracht zu haben scheint. Die Plattform wird nie so groß wie Facebook, so hip wie Instagram oder so kreativ wie Tiktok werden. Doch genau wie Snapchat hat Twitter seine Nische gefunden, die immerhin ein paar Hundert Millionen Menschen umfasst.

Natürlich muss man abwarten, wie sich Trumps Rauswurf langfristig auswirken wird. Dessen tägliche Tiraden brachten Twitter regelmäßig in die Schlagzeilen. Erste Zahlen zeigen, dass die Nutzung in den USA auch ohne Trump konstant blieb (Big Technology).


Ein Monitor-Beitrag offenbart das Dilemma der Content-Moderation

Was ist

Instagram und Facebook haben tagelang ein Video des WDR-Magazins Monitor (WDR) blockiert. Der Film beleuchtet die Mordnacht von Hanau und legt die Versäumnisse der Polizei offen. Erst nach mehreren Nachfragen entschuldigte sich Instagram am vergangenen Mittwoch und stellte den Beitrag wieder her. Auf Facebook blieb das Video noch länger gesperrt. Erst am Samstag konnte Monitor das Video wieder hochladen.

Warum das wichtig ist

Täglich werden Inhalte zu Unrecht gesperrt, mindestens genauso regelmäßig bleiben illegale Postings online. Isoliert betrachtet ist der Fall also nur einer von vielen. Doch gemeinsam mit neuen Zahlen zu Facebooks Umgang mit illegalen Inhalten zeigt die Blockade erneut: Perfekte Content-Moderation ist angesichts der Masse der Uploads unmöglich.

Wenn es nicht gerade Medien oder prominente Accounts trifft, bleiben die Fehler öffentlich meist unbemerkt. Viele Betroffene wissen nicht, wie sie sich gegen die Willkür wehren können. Für sie sind die US-Konzerne eine Blackbox, deren Entscheidungen sie hilflos ausgeliefert sind.

Wie es zur Sperre kam

Was hinter der Sperre stecken könnte

Was Facebook langfristig anstrebt

Was in den Transparenzberichten fehlt


Facebook News startet in Deutschland

Was ist

Facebook ist nicht dafür verantwortlich, Verlagen ein funktionierendes Geschäftsmodell zu liefern. Die finanzielle Krise, in der viele Medien stecken, ist größtenteils hausgemacht. Nur sollten Journalistïnnen keine allzu großen Hoffnungen ins Silicon Valley stecken. Facebook und Google sind nicht die Totengräber des Journalismus – aber auch nicht dessen Retter.

Was kommt

It’s been seven months since Stuff stopped all content on Facebook, and they’re still trying to gauge the true impact – but the traffic dip has not been statistically significant. (…) They’re still seeing between 10-11% of their social traffic being referred organically by Facebook because readers still share story links on their own news feeds.


Social Media & Politik

ByteDance darf zahlen

ByteDance hat zugestimmt, 92 Millionen Dollar zu zahlen, um eine Sammelklage beizulegen (WSJ). Es geht um den Vorwurf, das Unternehmen habe illegal Daten von jugendlichen TikTok-Nutzerïnnen gesammelt. ByteDance zeigte sich laut einer Unternehmenssprecherin mit der Zahlung einverstanden, um sich wieder voll und ganz darauf konzentrieren zu können, Nutzerïnnen eine positive App-Erfahrung bieten zu können. Lol.


Kampf gegen Desinformationen

Erschreckend tolle Deep Fakes

Auch wenn aktuell billige Memes die viel größere Gefahr für die Demokratie darstellen: diese Deep Fakes von Tom Cruise bei TikTok muss man einfach gesehen haben. Einfach unglaublich. Ok, Medienprofis sind womöglich in der Lage, die Videos als Fakes zu enttarnen. Aber erstens sind nicht alle Medienprofis. Zweitens stehen wir in der Entwicklung noch ganz am Anfang. Ob die Medienbildung da Schritt halten kann?


Follow the money

Gesichtserkennung bei Facebooks smarter Brille

Facebook bastelt an einer smarten Brille (siehe Briefing #694). Nun ist beim Unternehmen die Frage aufgeploppt, ob die Brille auch Gesichtserkennungs-Features beinhalten sollte (BuzzFeed). Bei der ersten Version sicherlich noch nicht, so die aktuelle Haltung bei Facebook. Grund dafür seien vor allem hinderliche Gesetze, heißt es. Mmh, wir sind uns nicht so sicher, ob eine smarte Brille von Facebook überhaupt eine Chance am Markt hat. Eine Facebook-Brille mit Gesichtserkennung sicherlich erst recht. Direkt aus der Datenschutzhölle: Bitte klicken Sie hier in diesem versteckten Menü, wenn Sie auf der Straße nicht erkannt werden wollen. 😱

Facebook plant Smartwatch

Um die Einnahmen stärker zu diversifizieren, plant Facebook übrigens auch, eine Smartwatch auf den Markt zu bringen (The Information). Hier möchte sich das Unternehmen vor allem den Themen Gesundheit und Messaging annehmen. Well, wir sind gespannt, ob die Leute wirklich bereit sind, Facebook "anzuziehen".

TikTok steigt ins Sport-Sponsoring ein

New York Yankees, NASCAR, UFC, MLS-Clubs: TikTok steigt in den USA kräftig ins Sport-Sponsoring ein (CNBC). Das Ziel: Möglichst viele Menschen davon überzeugen, dass TikTok ab jetzt einfach dazu gehört: a household name, you know. So wie Coca Cola. Oder McDonalds. Oder Ford. Schon spannend, diese Entwicklung. Andere Social-Media-Angebote halten sich beim Thema Sponsoring ja noch sehr bedeckt.

Cameo setzt 100 Millionen Dollar mit Celebrity Shout outs um

2020 war ein gutes Jahr für Cameo: 100 Millionen Dollar hat die App mit digitalen Grußbotschaften von Promis umgesetzt (Variety). Kein Wunder: Wer hätte nicht mal Lust auf ein Geburtstagsständchen von Snoop Dogg? Eben. Der Krösus unter den Cameo-Promis ist Brian Baumgartner aka Kevin von “The Office”. Baumgartner allein erhielt 2020 rund eine Million Dollar für seine Grußbotschaften. Aber speaking of Deep Fakes: Wie lange sich Cameo mit Blick auf diese Entwicklung halten kann, ist fraglich.


Neue Features bei den Plattformen

Instagram

Facebook

Twitter

Telegram

TikTok


Header-Foto von Carlos Baker bei Unsplash