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Wie sicher Nachrichten bei WhatsApp sind | Warum Facebook jetzt Sonnenbrillen verkauft | TikTok überholt YouTube bei durchschnittlicher Verweildauer

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Was eine ProPublica-Recherche über WhatsApp verrät – und was nicht

Was ist (scheinbar)

Am Dienstag hat ProPublica eine Recherche veröffentlicht, bei der wir auf den ersten Blick dachten: Hui, das wird das Thema der Woche. Mindestens. „How Facebook Undermines Privacy Protections for Its 2 Billion WhatsApp Users“ überschreibt die Recherche-Organisation den Text. Es folgen fünf Kapitel und fast 40.000 Zeichen, die Zweifel daran wecken sollen, ob WhatsApp wirklich so privat und sicher ist, wie es das Unternehmen selbst immer behauptet.

Was ist (tatsächlich)

Wir schätzen die Autoren, insbesondere Craig Silverman hat für BuzzFeed immer wieder richtig gute Recherchen abgeliefert. Die ProPublica-Geschichte gehört nicht dazu. Der Text enthält einige interessante Fakten, ist aber überverkauft und stellenweise irreführend.

Darin stehen etwa solche Sätze:

Ständig wird suggeriert, dass WhatsApp Nutzerïnnen täusche, wenn es beteuert, alle Nachrichten seien durch Ende-zu-Ende-Verschlüsselung (E2EE) geschützt und damit auch für das Unternehmen selbst nicht lesbar. Diese Unterstellung ist falsch und journalistisch fragwürdig.

Eva Galperin, Cybersecurity-Direktorin der EFF, drückt es so aus: „(…) when it comes to encryption, it’s a misleading mess.“ Alex Stamos, einst Facebook-Sicherheitschef, heute Stanford-Professor, wird noch deutlicher (beide Twitter): „This ProPublica article on WhatsApp is terrible. (…) It incorrectly conflates responsible reporting mechanisms with proactive moderation, and creates the wrong incentive structure for E2EE products.“

Das ist umso bedauerlicher, weil der Text diese Dramatisierung gar nicht nötig hätte. Die drei Reporter haben nämlich einige wirklich spannende Details herausgefunden. Statt zu erklären, was der Artikel alles durcheinanderbringt, konzentrieren wir uns lieber darauf, welche Erkenntnisse wir beim Lesen gewonnen haben.

Wie WhatsApp Inhalte moderiert

Wie Inhalte bei WhatsApp landen

Was Metadaten verraten

Auch wenn die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung des Messengers funktioniert, ist WhatsApp kein guter Ort für private Kommunikation. Journalist:innen, die auf diesem Messenger vertrauliche Gespräche mit ihren Quellen führen, handeln unverantwortlich. Wer wirklich sicher und datensparsam kommunizieren will, sollte Alternativen wie Threema oder Signal nutzen, die kaum Metadaten speichern.

Be smart

Unabhängig vom fragwürdigen Framing wirft der Text eine wichtige Frage auf: Sollte WhatsApp eine Möglichkeit anbieten, andere Nutzerïnnen und Gruppen zu melden und Nachrichten direkt an den Support weiterzuleiten?

Wie schwierig es ist, einen solchen Kompromiss zu finden, zeigt die Kontroverse, die Apple Anfang August auslöste. Kryptografen, Aktivistinnen und Bürgerrechtsorganisationen warnten eindringlich vor den Plänen, iPhones zu durchleuchten, um CSAM aufzuspüren und Täter zu ermitteln. Im Grundsatz geht es um das gleiche Dilemma: Wie viel Privatsphäre darf man opfern, um Verbrechen zu verhindern?

In Briefing #739 (das wir noch in WordPress einpflegen müssen, deshalb kein Link) schrieben wir:

Wir glauben, dass es nicht darum geht, lauter zu schreien, um die Gegenseite zu übertönen. Es wäre schön, wenn die beiden Anliegen, der Schutz von Kindern und die Privatsphäre von Milliarden Menschen, nicht gegeneinander ausgespielt würden. Dafür sind beide zu wichtig.

Der heftige Widerstand scheint auch Apple beeindruckt zu haben: Am vergangenen Freitag verkündete der Konzern, die Umsetzung um mehrere Monate zu verschieben. Auf Grundlage des Feedbacks von Kundïnnen, Forschern und Interessengruppen werde man sich mehr Zeit nehmen, um Input zu sammeln und Verbesserungen vorzunehmen.

„Feedback“ und „Input“ sind sehr freundliche Formulierungen für die Reaktionen, die Apple auslöste, doch in dem Fall ist der Inhalt wichtiger als die Ausdrucksweise. Mit Sicherheit wird am Ende keine Lösung stehen, die alle zufriedenstellt. Das ist bei einem derart komplexen und emotionalen Thema nicht möglich. Aber vielleicht gibt es einen Kompromiss, mit den Daten- und Kinderschützerïnnen zähneknirschend leben können. Womöglich könnte – und wir hätten wirklich nicht gedacht, dass wir das einmal schreiben würden – WhatsApp zeigen, dass es zwischen Schwarz und Weiß auch noch Grau gibt.


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