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10 Min. Lesezeit Bundestagswahl

Was die Parteien in Sachen Social Media planen

Es überrascht nicht wirklich, dass Trump und Musk die AfD so umgarnen. Keine andere Partei spricht sich so sehr dafür aus, Social-Media-Plattformen weniger zu regulieren.

Was die Parteien in Sachen Social Media planen
Quelle: Unsplash+ // Kamran Abdullayev 

Was ist

In fünf Tagen ist die Bundestagswahl. Während in gefühlt fünfhundersechsundachtzig Talkshows immer und immer wieder über Migration gestritten wird, kommen andere Themen deutlich zu kurz. Über Klimaschutz, Bildung und Digitalisierung wird so gut wie gar nicht diskutiert.

Dabei sollten eigentlich spätestens nach dem Auftritt des US-Vizepräsidenten JD Vance bei der Münchener Sicherheitskonferenz die Themen Desinformation, Medienkompetenz und Plattform-Regulierung ganz oben auf der Agenda stehen.

Kurzer Recap: Vance hatte den anwesenden Politikerïnnen wenig über das Sicherheitsgefüge in Europa und Nahost zu sagen. Dafür halluzinierte er ein mangelndes Demokratie-Verständnis der Europäer herbei und forderte explizit in Richtung Deutschland, Brandmauern einzureißen und mit der AfD zu kooperieren. Die wahre Bedrohung sitze nicht in China oder Russland. Sie komme von den europäischen Regierungschefs, die sich für eine all zu große Regulierung der Social-Media-Plattformen stark machen.

Warum das wichtig ist

Viele Beobachterïnnen haben den Auftritt des US-Vize vor allem als sicherheitspolitische Kampfansage gelesen. Europa, so die Wahrnehmung, müsse nun endlich mehr für die eigene Verteidigung tun. Auf den Partner auf der anderen Seite des Atlantiks sei nur noch bedingt Verlass.

Diese Deutung ist sicherlich richtig und gerade auch mit Blick auf die Alleingänge der USA, was das Ende des Kriegs in der Ukraine angeht, mehr als angebracht. Aber wir sind weder Politik-Profis, noch Sicherheitsexperten. Uns interessiert die Schnittstelle von Social Media, Politik und Gesellschaft. Und hier hat Vance unmissverständlich klargemacht, wie die USA den Status quo von Social Media deuten: Weg mit den Regulierungen, es müsse wieder alles gesagt werden dürfen, Kollateralschäden inbegriffen. Alles andere sei ein Versuch, die freie Meinung zu unterdrücken, ergo der direkte Weg in die Diktatur.

Wie die USA es aktuell selbst mit der freien Meinungsäußerung halten, zeigen die Schlagzeilen der vergangenen Tage:

Weiß ist schwarz. Schwarz ist weiß.

Zur Orientierung: Die erste Amtszeit von Donald Trump war davon geprägt, dass Trump jeden Tag aufs Neue die Weltöffentlichkeit vor sich her trieb. Das ging ungefähr so: Trump twitterte morgens allerlei absurde Vorschläge, er schaute, was am meisten diskutiert wurde, um es am Abend bei Fox News zu verkünden und dann in republikanische Politik zu überführen.

Die zweite Amtszeit funktioniert anders: Er flutet die Social-Media-Plattformen mit Bildern und Tönen, die Handeln und Stärke demonstrieren sollen. Seien es die Dekrete, die er öffentlichkeitswirksam unterzeichnet. Oder die Polizeikolonnen, die Migrantïnnen aufspüren. Was nicht auf Social ist, ist nicht passiert. Es ist dabei aus seiner Sicht zunächst einmal vollkommen egal, ob all die Dinge durchgehen, die er in die Wege leitet. Es geht um die Bilder, die sein Handeln auslösen.

Da stört natürlich Gegenrede. Da stören Faktenchecks. Da stört Journalismus. Aus Trumps Sicht muss alles verschwinden, was ihn auf diesem Spielfeld zur Rechenschaft ziehen könnte. Es geht den USA nicht um freie Meinungsäußerung, sondern um Machterhalt. Wenn sich niemand mehr auf eine gemeinsame Faktenlage einigen kann, dann gewinnt die gefühlte Wahrheit, dann gewinnt das, was man „gesehen“ hat.

Wenn Trumps Truppe also von „free speech“ redet, dann meinen sie in Wahrheit vor allem: Deregulierung.

Sind wir in Deutschland auf diese Form der durch Social-Media-Plattformen errichteten Präsidentschaft vorbereitet? Wie ernst nehmen die Parteien die digitalen Kommunikationstools? Wer spricht sich für Regulierung aus? Wer hätte gern mehr „Freiheit“? Unser Blick auf die Wahlprogramme:

Was im Wahlprogramm der SPD zu Social Media steht

Was im Wahlprogramm der CDU zu Social Media steht

„Die frühe Nutzung von Social Media hat Auswirkungen auf die Gesundheit sowie die Lern- und Leistungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen, auch in der Schule. Diese werden wir schnellstmöglich wissenschaftlich basiert bewerten und ein Maßnahmenpaket zur Stärkung von Gesundheit- und Jugendmedienschutz vorlegen.“

Was im Wahlprogramm von Bündnis90 / Die Grünen zu Social Media steht

Was im Wahlprogramm von Die Linke zu Social Media steht

Was im Wahlprogramm der FDP zu Social Media steht

Was im Wahlprogramm des BSW zu Social Media steht

Was im Wahlprogramm der AfD zu Social Media steht

In letzter Zeit wird jedoch durch öffentlich-rechtliche sowie „nicht-staatliche“ Akteure versucht, die Meinungsfreiheit durch direkte Verbote oder Delegitimierung kritischer Meinungen einzu- schränken. Immer mehr öffentlich-rechtliche sowie nicht-staatliche Akteure, sogenannte „NGOs“, wie zum Beispiel „Faktenchecker“ oder „Correctiv“, werden über staatliche Beauftragung und Finanzierung für Desinformationskampagnen eingespannt.
Auch die Bundesregierung selbst nutzt den Einfluss auf Social- Media-Plattformen direkt zur Überwachung und Steuerung des Gedankenaustausches ihrer Bürger.

Be smart

Die SPD hat überraschend viel zum Thema Social Media, Desinformationen und digitaler Meinungsbildung zu sagen. Die CDU hält sich dagegen eher bedeckt und sieht hauptsächlich die Jugend gefährdet. Die Linke fordert als einzige Partei, Plattformen jenseits der etablierten, kommerziellen Social-Media-Angebote zu fördern. BSW und AfD sehen in der Regulierung von Social-Media-Plattformen vorrangig den Versuch, unliebsame Meinungen zu unterdrücken.

Kein Wunder, dass die aktuelle US-Regierung die AfD so sehr umgarnt. Keine andere Partei in Deutschland fordert so vehement weniger Regulierung für die Social-Media-Plattformen.


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In eigener Sache

Die lieben Kollegïnnen der taz haben uns eingeladen, beim taz lab am 26.4. über Social Media und Politik zu diskutieren. Im Vorfeld gab es nun diesen schmeichelhaften Artikel über unsere Arbeit. Wie schön ☺️