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Was "An Ugly Truth" über Facebook verrät – und welche Bücher wir außerdem empfehlen

Was ist

Sheera Frenkel und Cecilia Kang haben ein Buch veröffentlicht, vor dem sich, so erzählen es Facebook-Angestellte, angeblich sogar Mark Zuckerberg und Sheryl Sandberg fürchteten. In "An Ugly Truth – Inside Facebook's Battle for Domination" (Harper Collins) kommen die beiden Reporterinnen der New York Times zu einer drastischen These: All die Skandale der vergangenen Jahre waren keine Fehler, sondern unausweichlich – weil Mark Zuckerberg Wachstum wichtiger sei als alles andere.

Warum das wichtig ist

Facebook? Das ist doch diese blaue App mit ein paar Milliarden Karteileichen, die eh niemand mehr nutzt und bald irrelevant wird. Im Interview mit dem Spiegel erwidert Kang:

Viele Menschen wissen offenbar nicht, dass Facebook viel mehr ist als die blaue App. Instagram, WhatsApp und Oculus gehören ja auch dazu. Facebook ist ein wucherndes Konglomerat mit fast drei Milliarden Nutzerinnen und Nutzern. Und auch wenn Facebook selbst in manchen Gegenden nicht mehr so populär sein mag: In vielen Ländern gehört es fast zur öffentlichen Grundversorgung. Wir sprechen hier über das größte Kommunikationsunternehmen der Geschichte.

Ein Kommunikationsunternehmen, zu dessen großen Stärken Kommunikation eher nicht gehört und über dessen Innenleben recht wenig bekannt ist. Dabei wäre es wichtig zu verstehen, warum Facebook in welchen Fällen wie entscheidet – denn diese Entscheidungen betreffen das Leben Hunderter Millionen Menschen. Genau diese Einblicke versprechen Frenkel und Kang.

Was das Buch nicht leistet

Wer Facebook seit Jahren verfolgt (oder unsere Briefings) liest, wird in dem Buch wenig substanziell Neues lernen. Es gibt nicht das eine große Geheimnis, einen bislang nicht berichteten Skandal oder eine Szene, die ein völlig neues Licht auf den Konzern wirft.

Auch die Kernthese, die Frenkel und Kang im Nachwort beschreiben, hat man so oder so ähnlich auch schon woanders gelesen:

One thing is certain. Even if the company undergoes a radical transformation in the coming years, that change is unlikely to come from within. The algorithm that serves as Facebook’s beating heart is too powerful and too lucrative. And the platform is built upon a fundamental, possibly irreconcilable dichotomy: its purported mission to advance society by connecting people while also profiting off them. It is Facebook’s dilemma and its ugly truth.

Was das Buch leistet

Die beiden Reporterinnen haben mehr als 1000 Stunden lang mit mehr als 400 aktuellen und ehemaligen Mitarbeiterïnnen gesprochen. Sie zitieren aus internen Dokumenten, geben den Verlauf Dutzender Meetings wieder und stützen sich auf vertrauliche Gespräche und Memos an die Angestellten. Allein diese Rechercheleistung ist beeindruckend.

Obwohl Frenkel und Kang nicht den einen großen Aufreger liefern, gelingt ihnen etwas Bemerkenswertes. In der Summe wirken die Fehltritte und fragwürdigen Entscheidungen viel stärker als einzeln und über mehrere Jahre verteilt. Wir zitieren erneut aus einem Interview (T-Online):

Wir glauben und hoffen, dass unser Buch die Leser wirklich näher an das Unternehmen bringt, sie besser verstehen lässt, wie diese Facebook-Maschinerie genau funktioniert, sowohl als Technologie als auch als Geschäftsmodell. Und wir hoffen, dass es die Menschen besser als je zuvor verstehen lässt, welchen Einfluss die Führungsriege auf die Richtung des Unternehmens hat. Aber auch, dass diese Führung Verhaltensmuster gezeigt hat, die Sorgen bereiten. Ich glaube, wenn man sich diese Verhaltensmuster im Gesamten anschaut, dann hat das eine ganz andere Wirkung als die einzelnen Nachrichten von einer Krise, die auf die nächste folgt.

"An Ugly Truth" liest sich stellenweise wie die Schilderung zweier Kriegsreporterinnen, die jahrelange Gefechte embedded miterleben. Sie liefern die interne Sichtweise auf all die Krisen, die Facebook durchlebt hat. Die äußeren Ereignisse sind meist bekannt, aber man bekommt ein besseres Gefühl, wie Facebook tickt.

Was hängenbleibt

Wir können ein Buch mit mehr als 350 Seiten in diesem Newsletter nicht komplett zusammenfassen. Das wollen wir auch gar nicht. Unser Ziel ist es, dir bei der Entscheidung zu helfen, ob du das Buch selbst lesen solltest.

Dabei helfen womöglich die beiden Exzerpte, die New York Times und Telegraph exklusiv veröffentlicht haben. Außerdem haben wir einige Eindrücke und Erkenntnisse zusammengestellt, die uns nach dem Lesen in Erinnerung geblieben sind:

Everything was beginning to make sense. There was only one moderator tasked with monitoring the deluge of content being generated in Myanmar, and that person spoke only Burmese. The repeated complaints of harassment and hate speech had gone unanswered because the company was hardly paying attention. The sheer amount of information being shared in Myanmar was tremendous, but Facebook hadn’t expanded its staff to keep up.

Was Facebook selbst dazu sagt

Überraschend wenig. Frenkel und Kang haben Facebook sämtliche offiziellen Zitate und jeden Fakt vorgelegt und hatten sich auf eine zähe Autorisierung eingestellt. Doch es kamen nur minimale Änderungswünsche (Tages-Anzeiger), sagt Frenkel:

Es waren wirklich sehr kleine Dinge. Wir erinnern uns, dass das an einem Dienstagnachmittag geschah, nicht an einem Dienstagmorgen, oder sie aßen zu Mittag, bevor das Meeting begann, nicht während des Meetings.

Das zeigt, wie akribisch die beiden gearbeitet haben. Facebook dürfte über das Buch nicht glücklich sein, doch offenbar gab es keinen Anlass für ein inhaltliches Dementi. Am Tag der Veröffentlichung wurden Zuckerberg und Sandberg bei einem gemeinsamen Spaziergang im Sun Valley fotografiert. Das letzte Foto, das sie dort zusammen zeigt, ist sieben Jahre alt. Es gab also einiges zu besprechen.

Dabei reagierte Facebook in der Vergangenheit immer wieder öffentlich auf kritische Berichterstattung und veröffentlichte Richtigstellungen (oder zumindest das, was Facebook dafür hält) im offiziellen Newsroom. Teils widersprachen hochrangige Facebook-Manager auf Twitter den Darstellungen der Reporterïnnen und diskutierten dort. Auch zwei aktuelle Kontroversen zeigen, wie ungewöhnlich Facebooks Schweigen ist. Beide passen auch inhaltlich gut zu den großen Themen des Buches, deshalb gehen wir an dieser Stelle darauf ein:

1. Sind Hass und Wut gut fürs Geschäft?

2. Wird Facebook von Rechten dominiert?

Be smart: Vier weitere Tech-Bücher, die wir empfehlen

Wir haben in den vergangenen Jahren nicht nur Tausende Texte über Tech-Konzerne gelesen, sondern auch Dutzende Bücher. Einige waren mies, viele gut, manche sehr gut. Wenn du tiefer einsteigen willst, legen wir dir diese vier Bücher ans Herz, die alle im Laufe der vergangenen anderthalb Jahre erschienen sind – und erklären in einem Satz, was sie für uns lesenswert gemacht hat:


Social Media & Politik


Creator Economy


Studien / Paper / Reportings


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Header-Foto von Brian Kyed bei Unsplash