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Topics: Google stellt eine neue Cookie-Alternative vor | Meta verkauft den traurigen Überrest seiner Digitalwährung | TikTok klagt gegen das NetzDG

Topics: Google stellt eine neue Cookie-Alternative vor | Meta verkauft den traurigen Überrest seiner Digitalwährung | TikTok klagt gegen das NetzDG

Google stellt eine neue Cookie-Alternative vor

Was ist

Google arbeitet seit Jahren daran, Drittanbieter-Cookies abzuschaffen. Ein System namens Federated Learning of Cohorts, kurz FLoC, sollte in Chrome die Tracking-Cookies ersetzen, gleichzeitig aber zielgenaue Werbung ermöglichen. Nutzerïnnen wurden zu Kohorten zusammengefasst, damit sollte Anonymität gewährleistet werden. Jetzt hat Google die Pläne gestoppt und stattdessen eine Alternative präsentiert: Topics (Google-Blog).

Warum das wichtig ist

In diesem Jahr wird voraussichtlich mehr als eine halbe Billion Dollar (kein Übersetzungsfehler) für digitale Werbung ausgegeben werden. Ein Großteil davon fließt in personalisierte, verhaltensbasierte Werbung – und die beruht, sofern die Anzeigen im Browser ausgespielt werden, meist auf Cookies.

Safari und Firefox haben Drittanbieter-Cookies längst verbannt, Chrome zieht nur nach. Doch angesichts des Marktanteils ist dieser Schritt entscheidend. Falls die Möglichkeit eingeschränkt wird, Menschen quer durchs Netz zu verfolgen, bedroht das Adtech-Anbieter, Werbenetzwerke und Verlage, auf deren Seiten die Anzeigen zu sehen sind.

Warum FLoC keine Zukunft hat

Im März stellten wir FLoC ausführlich vor (#707), im Juni fragten wir dann: "Zukunft der Cookies: Sind Googles FLoC gefloppt?" Es zeichnet sich schon länger ab, dass Google einen schweren Stand hat. Dafür gibt es mehrere Gründe:

Zusammengefasst: Der Einzige, der FLoC so richtig gut fand, war Google selbst. JR Raphael hat das Akronym folgerichtig angepasst: "Fury-generating Load of Confusion" (Computerworld). Universale Ablehnung ist keine gute Voraussetzung. Die Neuausrichtung war alternativlos.

Was Topics anders macht

Der Name ist nicht nur eingängiger, das System ist auch leichter verständlich. Wer nachlesen möchte, auf welchem Ansatz FLoC beruhte, erfährt das in Briefing #707. Topics funktioniert so:

Wie es mit Topics weitergeht

Google möchte möglichst bald mit ersten Topics-Tests beginnen, denn der Zeitplan ist sportlich: Bis Ende 2023 sollen Drittanbieter-Cookies endgültig aus Chrome verbannt werden. Bis dahin muss Google die massiven Bedenken der Branche aus dem Wegräumen, sich mit den Mitgliedern des W3C abstimmen, nach Möglichkeit andere Browser-Hersteller mit ins Boot holen und Kartellbehörden besänftigen.

Peter Snyder, Director of Privacy beim Browser Brave, schreibt etwa:

Google claims this new API addresses FLoC’s serious privacy issues. Unfortunately, it does anything but. The Topics API only touches the smallest, most minor privacy issues in FLoC, while leaving its core intact. At issue is Google’s insistence on sharing information about people’s interests and behaviors with advertisers, trackers, and others on the Web that are hostile to privacy.

Dass ein Konkurrent wie Brave wenig von Googles Vorschlag hält, kommt nicht überraschend. Doch auch Verleger und Werbetreibende äußern sich bislang skeptisch (Digiday):

It appears that Topics will: a) seriously degrade targeting; b) quite possibly frustrate frequency capping and also c) substantially constrain measurement. (…) Google must be clearer about Topics’ controls and value proposition for publishers is the overwhelming initial response to it from that part of the market.

Wenn Topics nicht dasselbe Schicksal wie FLoC drohen soll, muss Google noch einiges an Überzeugungsarbeit leisten.

Be smart

Als wir vor knapp einem Jahr das erste Mal über FLoC schrieben, endeten wir mit dieser Einschätzung:

Wir glauben, dass die Abkehr von Drittanbieter-Cookies richtig ist und helfen kann, allzu aggressives Tracking deutlich einzuschränken. Viele Webseiten liefern Dutzende oder Hunderte Cookies aus und übermitteln Informationen an Werbenetzwerke oder anderen Zwischenhändler. Dieses System ist intransparent, und 90 Prozent der Menschen wissen nichts davon. Vor diesem Hintergrund halten wir Googles Entscheidung für überfällig. Ob FLoC aber die beste Lösung sind, daran gibt es zumindest Zweifel.

Die Zweifel haben sich erhärtet, aber der Rest trifft nach wie vor zu. Online-Werbung beruht auf systematischer Überwachung. Dieses System muss sich ändern. Es ist gut, dass selbst Google die Regeln nicht allein schreiben kann, wie das Scheitern von FLoC zeigt – aber es ist trotzdem sinnvoll, dass Google an einer Alternative für Drittanbieter-Cookies arbeitet.

Meta verkauft den traurigen Überrest seiner Digitalwährung

Was ist

Meta hat seinen Traum von einer eigenen Währung begraben. Was einst als Libra mit gewaltigen Ambitionen startete, wurde nach mehreren Kurswechseln, Namensänderungen und Personalrochaden für 200 Millionen Dollar an Silvergate Capital verkauft (WSJ). Die kalifornische Bank zahlt dabei in erster Linie für die Technologie der Diem Association, jener Organisation, in die Meta seine Krypto-Ambitionen überführt hatte.

Warum das wichtig ist

Als wir 2019 das erste Mal über Libra berichteten (#556), schrieben wir:

Facebook wird die Art und Weise verändern, wie Menschen online (und mittelfristig auch offline) bezahlen. Investorïnnen bezeichnen Libra bereits als eines der wichtigsten Projekte in Facebooks Geschichte.

Ein Jahr später zogen wir eine Zwischenbilanz (#646):

Libra war und ist eines der (über)ambitioniertesten Projekte in Facebooks Firmengeschichte. Das Potenzial ist gewaltig, aber das gilt auch für die Hürden und Probleme, die Facebook überwinden muss. Offenbar hat es Facebooks Blockchain-Chef David Marcus bislang nicht geschafft, Kartellbehörden, Notenbanken und Regierungen von Libra zu überzeugen.

Mit einer eigenen Währung wäre Meta endgültig zum Staat geworden. Seine Plattformen haben mehr Nutzerïnnen als Länder Einwohnerïnnen, die Einnahmen des Konzerns übersteigen das Bruttoinlandsprodukt mancher Volkswirtschaften. Auch die Rechtsprechung liegt größtenteils in Metas Hand, mit dem Oversight Board gibt es sogar eine Art Verfassungsgericht. Wäre Mark Zuckerberg auch noch zum Notenbanker geworden, hätte er auch noch die Regeln des Finanzsystems neu schreiben können.

Warum Libra scheiterte


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