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10 Min. Lesezeit Signal

Neues Gesicht für Signal: Diese Aufgaben warten auf Meredith Whittaker

Was ist

Neun Monate nach dem überraschenden Rücktritt von Moxie Marlinspike bekommt Signal eine neue Führung. Mit Meredith Whittaker übernimmt eine scharfe Kritikerin des Überwachungskapitalismus, die inhaltlich perfekt zu Signal passt.

Der Messenger ist ein einzigartiges Projekt: stiftungsfinanziert und komplett kostenlos, werbefrei und radikal datensparsam. In den vergangenen Jahren hat sich Signal auch unter "normalen" Menschen (lies: Nicht-Nerds) als Alternative zu WhatsApp etabliert.

Trotzdem warten auf Whittaker große Aufgaben. In erster Linie wird sie ein Modell finden müssen, um Signal nachhaltig und langfristig zu finanzieren. Entwicklung und Server sind teuer, das Kapital der Stiftung reicht nicht ewig. Wir haben mit Whittaker gesprochen (SZ), ordnen die Personalie ein, und erklären, was das für die Zukunft von Signal bedeutet.

Welche Position Whittaker übernimmt

It’s a new year, and I’ve decided it’s a good time to replace myself as the CEO of Signal.

I will be working with Signal’s CEO and leadership, with a particular focus on guiding Signal’s strategy, ensuring our financial sustainability, sharpening and broadening Signal’s public communications, and whatever else is needed to strengthen the app and the org.

Wofür Whittaker steht

Um meinen Weg zu verstehen, muss man wissen, dass ich bei Google gegangen wurde. Ich hatte Proteste gegen die sexistische Arbeitskultur und unethische Geschäftspraktiken mitorganisiert. Viele der Initiatorinnen haben Google verlassen. Mein moralischer Kompass hat sich nicht gedreht, ich trete heute für dieselben Überzeugungen ein wie damals bei Google.

Ich habe verstanden, welche unglaublichen finanziellen und personellen Ressourcen nötig sind, um Software und Dienste zu entwickeln, die Milliarden Menschen nutzen. Und ich habe gesehen, wie viele Entscheidungen hinter verschlossenen Türen getroffen werden, obwohl sie die gesamte Gesellschaft betreffen. Die Öffentlichkeit erfährt oft nur den Marketing-Spin. Die meisten Menschen haben keine Ahnung, wie diese Produkte wirklich funktionieren und warum sie entwickelt werden. Es war beängstigend, das aus erster Hand mitzuerleben.

Unser Code ist quelloffen, man muss uns also nicht vertrauen, sondern kann unsere Versprechen überprüfen. Signal ist gemeinnützig, es gibt keine Aktionäre, die mehr Umsatz sehen wollen. Uns treibt nicht Geld, sondern eine Mission: Wir möchten einen Ort bieten, an dem wirklich private Unterhaltungen möglich sind, ganz ohne Überwachung.

Was für Signals Zukunft wichtig wird

1. Finanzierung

Nicht alle Menschen wollen oder können für Signal bezahlen. Aber wir wollen, dass alle Menschen Signal uneingeschränkt nutzen können. Denn ein Messenger, mit dem Sie nur einen kleinen Teil Ihrer Freunde erreichen, ist kaum etwas wert. Signal soll kein geschlossenes Netzwerk für Menschen werden, die sich Privatsphäre leisten können.

2. Wachstum

Ich glaube schon, dass auch Menschen, die beruflich nichts mit Technik zu tun haben, die Risiken des Überwachungskapitalismus erkennen. Bei Whatsapp zahlen Sie mit Ihrer Privatsphäre, das sickert allmählich ins öffentliche Bewusstsein ein. Ich bin zuversichtlich, dass es immer normaler wird zu sagen: Hey, schreib mir auf Signal. Und dann muss man gar nichts erklären, weil es jeder kennt.

3. Politik/Regulierung

Es scheint ein unstillbares Bedürfnis zu geben, Verschlüsselung zu umgehen, um die Bösen zu fangen. Jedes Mal behaupten Politiker, das sei möglich, ohne die Privatsphäre aller anderen aufs Spiel zu setzen. Leider ist das Wunschdenken. Es gibt keine Zauberformel, die Verschlüsselung ein bisschen bricht. Entweder schützt sie alle oder niemanden. Wir kämpfen für Verschlüsselung, die alle schützt. Sonst hat alles, was wir tun, keinen Sinn.

Es ist 2021, aber es hat sich nicht viel verändert. England ist immer noch mit dem Brexit beschäftigt, Justin Bieber steht mal wieder auf Platz 1 der Charts, und Signal weiß nach wie vor nichts über dich.

4. Neue Funktionen

Be smart

Telegram stellt sich gern als Messenger dar, der größtmöglichen Datenschutz bietet. Auf seiner Webseite schreibt das Unternehmen:

Bis zum heutigen Tag haben wir 0 Byte Nutzerdaten an Dritte weitergegeben, einschließlich aller Regierungen.

Diese Angabe ist falsch. Anfang Juni berichtete der Spiegel, Telegram habe in mehreren Fällen Nutzerdaten an deutsche Ermittler herausgegeben. Diese Woche legten WDR und NDR erstmals konkrete Zahlen dazu offen (Tagesschau), wie Telegram mit Abfragen von Bestandsdaten umgeht:

Insgesamt 202 solcher Anfragen wurden durch das BKA bis zum September gestellt. In 64 Fällen soll Telegram geantwortet und 25 Mal tatsächlich Bestandsdaten übermittelt haben. Dabei ging es ausschließlich um sexuellen Kindesmissbrauch oder islamistischen Terrorismus.

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Wir halten es für überfällig, dass Telegram in solchen, gut begründeten Fällen mit Ermittlungsbehörden kooperiert. Uns ärgert nur der Widerspruch zwischen öffentlicher Inszenierung und tatsächlichem Handeln.

Bei Telegram sind Unterhaltungen standardmäßig nicht sicher verschlüsselt (Gruppen und Kanäle sind es nie). Wer wirklich privat chatten will, sollte zu einer Alternative greifen, deren Betreibern man nicht vertrauen muss – etwa Signal:

Wir sammeln sie nicht in unserer App, wir betreiben keine anderen Netzwerke, wir kaufen sie nicht bei Datenhändlern ein. Im Gegenteil: Wir unternehmen alles, damit diese Daten gar nicht erst bei uns landen. Wir wollen möglichst wenig über Sie wissen. Dann können wir auch nichts preisgeben.

Be really smart

Während wir das schreiben, merken wir: Das klingt ganz schön positiv, fast schon wie Werbung – sieht uns gar nicht ähnlich. Wenn wir über Meta oder TikTok schreiben, ist so viel Lob selten. Wir nutzen Signal seit vielen Jahren selbst und vertrauen sowohl dem Produkt als auch den Menschen dahinter. Es gibt wenige Dienste, die wir uneingeschränkt empfehlen. Signal ist einer davon.

Das bedeutet aber nicht, dass dort alles perfekt läuft. Im vergangenen Jahr berichtete Casey Newton über einen Richtungsstreit innerhalb des Teams, im Kern stand die Frage: Soll Signal alles daran setzen zu wachsen, oder sich zuerst um die Risiken und Nebenwirkungen kümmern, die ein verschlüsselter Messenger mit sich bringen kann? Auch die Einführung der Kryptowährung MobileCoin als Bezahloption innerhalb von Signal war kontrovers.


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