Was ist
Im vergangenen Jahr ist Larry Ellison zu einem der reichsten und mächtigsten Menschen der Welt geworden. Zwischenzeitlich überholte er Elon Musk im Bloomberg-Milliardärsindex. Mittlerweile haben die beiden wieder Plätze getauscht. Ellisons Einfluss könnte den von Musk aber noch übersteigen.
Das Imperium des Oracle-Chefs setzt sich aus mehreren Bausteinen zusammen:
- Politik: Ellison ist ein Vertrauter von Donald Trump und profitiert massiv von dessen Entscheidungen.
- Medien: Die Produktionsfirma Skydance fusionierte kürzlich mit der US-Mediengruppe Paramount, zu der unter anderem der Sender CBS gehört. An der Spitze der Paramount Skydance Corporation sitzt Ellisons Sohn David. Bald könnte auch noch CNN unter seine Kontrolle fallen.
- Plattformen: Das US-Geschäft von TikTok fällt unter anderem in die Hände von Ellison. Oracle verwaltet bereits seit Jahren die Daten von US-Nutzerïnnen, Trump sei Dank.
- Infrastruktur: Oracle gehört zu den größten Gewinnern des KI-Booms. Allein OpenAI zahlt in den kommenden fünf Jahren 300 Milliarden Dollar für Rechenkapazitäten. Auch mit xAI und Meta hat Oracle Verträge abgeschlossen.
Warum das wichtig ist
Familienclans und Medienmogule haben die Geschichte der USA geprägt:
- Die Vanderbilts kontrollierten das Schienensystem.
- Die Rockefellers häuften unglaublichen Reichtum mit Öl an.
- Die Namen Kennedy, Bush und Clinton stehen für politische Dynastien.
- Rupert Murdoch und sein Sohn Lachlan besitzen mit Fox Corp. und News Corp. zwei der größten globalen Medienkonglomerate.
Ellison hat noch mehr Geld und Macht. Als „Schattenpräsidenten“ bezeichnete ein Trump-Berater den Oracle-Chef im Gespräch mit Wired-Reporter Jake Lahut. Das trifft es gut. Ellison übt direkten Einfluss aus auf:
- Gesetzgebung und Regulierung
- Informationserstellung
- Informationsverbreitung
- Zukunftstechnologie
Eine derartige Machtkonzentration untergräbt demokratische Grundprinzipien. Das wäre auch dann besorgniserregend, wenn Ellison seinen Einfluss nach bestem Wissen und Gewissen zum Wohle aller Menschen ausübte. Leider ist das nicht der Fall.
Wie Ellison tickt
Ellison ist nach außen weniger radikal als Musk. Lange galt er als unpolitischer Playboy, später spendete er für Bill Clinton und unterstützte die Demokraten. Während der Präsidentschaft von Barack Obama wandte er sich den Republikanern zu.
Das lag unter anderem an Obamas Israel-Politik und dessen schlechtem Verhältnis zu Benjamin Netanjahu. Ellison steht dem israelischen Premier nahe und unterstützt die ultrarechte Regierung. Gemeinsam mit Tony Blair war er an den aktuellen Verhandlungen über ein Ende des Krieges in Gaza beteiligt (The Nerve).
Ähnlich wie Musk ist Ellison von sich selbst überzeugt und geht kompromisslos gegen alle vor, die ihm im Weg stehen. 1997 erschien eine Biografie mit dem vielsagenden Titel: „The Difference Between God and Larry Ellison: God Doesn't Think He's Larry Ellison“. Sechs Jahre später nannte ihn ein anderer Biograf einen „modernen Dschingis Khan“, der sein Unternehmen führe wie eine Armee.
Das klingt unsympathisch, ist aber typisch für erfolgreiche Gründer. Wirklich übel sind Ellisons Überwachungsfetisch und seine Faszination für Technofaschismus.
Vergangenes Jahr schwärmte er Oracle-Investoren von seinen KI-gestützten Überwachungsplänen vor (Fortune).
Wir werden Überwachung einsetzen. Jeder Polizeibeamte wird jederzeit überwacht, und wenn es ein Problem gibt, wird die KI dieses Problem erkennen und an die zuständige Person melden. Die Bürgerinnen und Bürger werden sich vorbildlich verhalten, weil wir ständig alles aufzeichnen und melden, was vor sich geht.
Im Februar sprach Ellison auf dem World Governments Summit und sagte (YouTube):
Das ist der große Schritt. Wir müssen all die nationalen Daten vereinheitlichen, sie in eine Datenbank einpflegen, wo sie für das KI-Modell leicht verwertbar sind, und dann können Sie jede beliebige Frage stellen.
Damit meint Ellison etwa Gesundheits- und Genomdaten, die Oracle zentral verwalten soll. Diese Vorstellung ist gruselig und erinnert an DOGE.
Wo Ellison überall mitmischt
Geschäfte mit der US-Regierung
- Ellisons Nähe zu Trump hat ihm milliardenschwere Verträge mit der US-Regierung eingebracht.
- Viele sensible und geheime Regierungsdaten werden auf Oracle-Servern gespeichert, ebenso Gesundheitsdaten von US-Bürgerïnnen.
- Oracle ist damit zur kritischen Infrastruktur für Regierung und Geheimdienste geworden.
- Auch politisch profitiert Ellison von Trump. Dessen KI-Deregulierung spielt Oracle in die Hände, Trumps „AU Czar“ David Sacks ist ein enger Vertrauter von Ellison.
- Die Fusion von Paramount und Skydance ist kartellrechtlich fragwürdig. Trump und FCC-Chef Brendan Carr ließen sie aus politischen Gründen und nach offensichtlichen Schmiergeldzahlungen von CBS zu (Washington Post).
Besitz von TikTok
- Der Zwangsverkauf des US-Ablegers von TikTok vergrößert Ellisons Einfluss.
- Die Details sind nach wie vor unklar. Zu den neuen Eigentümern zählt neben weiteren Trump-Freunden aber auch Ellisons Oracle.
- Trump und Ellison werden versuchen, TikTok in eine Plattform der MAGA-Bewegung zu verwandeln. (Netzpolitik).
Aufbau eines Medienimperiums
- Larry und David Ellison werden den vergleichsweise liberalen Sender CBS nach rechts rücken.
- Die neue Chefredakteurin Bari Weiss hat keine TV-Erfahrung, dafür aber starke Meinungen, die ideologisch perfekt zur Trump-Regierung passen (Techdirt).
- CBS und Paramount könnten zu einer Neuauflage von Fox News und Fox werden. Die Entertainment-Sparte finanziert mit billiger Unterhaltung die politische Propaganda.
- Die gute Nachricht: Weiss tritt einen undankbaren Job an und könnte daran scheitern, den Kabelsender CBS ins Plattform-Zeitalter zu retten (The Verge). Viele Mitarbeitende lehnen die neue Chefin ab (Status).
- Die schlechte Nachricht: CBS war womöglich nur der Anfang. Falls Paramount tatsächlich Warner Bros. Discovery übernimmt, fällt auch noch der Sender CNN in die Hände der Ellisons (Deadline).
Kontrolle über KI-Infrastruktur
- Im Wettlauf der Cloud-Hyperscaler galt Oracle lange als abgeschlagen. Microsoft (Azure), Amazon (AWS) und Google dominierten mit ihren Angeboten den Markt.
- Oracles Datenbanktechnologie eignet sich aber besonders gut für das Training und den Betrieb von Sprachmodellen.
- Neben Nvidia zählt Oracle zu den größten Profiteuren des KI-Booms (Semi Analysis). Verträge mit OpenAI, xAI und Meta bringen dem Unternehmen Hunderte Milliarden Dollar ein.
- Es gibt begründete Zweifel, wie nachhaltig dieses Geschäft ist. Sollte der KI-Blase die Luft ausgehen, könnte es Oracle besonders hart treffen (SMWB).
Be smart
Was hilft gegen die scheinbare Übermacht von Menschen wie Donald Trump, Elon Musk und Larry Ellison? Digitale Souveränität. Die wird gern gefordert, erscheint aber nach wie vor unerreichbar.
Umso wichtiger sind Appelle wie der von Markus Beckedahl, der erklärt, warum Deutschland und Europa technologisch unabhängiger werden müssen (Digitalpolitik):
Wir stehen an einer Weggabelung. Der eine Weg: Bequeme Abhängigkeit – günstig am Anfang, teuer am Ende. Der andere Weg: Souveräne Gestaltung – anspruchsvoller, aber zukunftsfest.
Digitale Souveränität ist nicht das Ende von Innovation. Sie ist ihre Voraussetzung. Demokratische KI ist nicht der Bremsklotz. Sie ist Sicherheitsgurt und Kompass.
Und zur politischen Dimension: Wenn Konzerne, die Infrastruktur kontrollieren und politisch Partei ergreifen, dann dürfen wir ihnen nicht blind vertrauen. Vertrauen wird verdient. Durch Offenheit. Durch Rechenschaft. Durch Austauschbarkeit.
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Politics & Power
Chatkontrolle
- Bundesregierung gegen Chatkontrolle: Die Bundesregierung hat sich am Mittwoch gegen eine anlasslose Chatkontrolle ausgesprochen. Laut Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) dürfe “private Kommunikation nie unter Generalverdacht stehen” (Tagesschau). Auch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist gegen die Einführung und vergleicht das Client-Side-Scanning damit, “alle Briefe (zu) öffnen und (zu) schauen, ob da etwas Verbotenes drin ist”. (Netzpolitik).
- Abstimmung bei EU-Innenministertreffen vom Tisch: Durch das Nein der Bundesregierung ist klar: Eine Mehrheit in der EU-Kommission kommt nicht zustande. Daher wurde die geplante Abstimmung über die Einführung am 14.10. nun auch wieder von der Tagesordnung des EU-Innenministertreffens gestrichen. Dass die Chatkontrolle damit für alle Zeiten vom Tisch ist, heißt das aber noch lange nicht. Die nächste Ratspräsidentschaft kann einen überarbeiteten Entwurf wieder zur Diskussion stellen. (Deutschlandfunk)
- Protest wirkt: In den vergangenen Tagen hatte ein breites Bündnis aus IT-Expertïnnen, Branchenverbänden und Zivilgesellschaft lautstark gegen die Chatkontrolle protestiert. Netzpolitik fasst den Protest zusammen und sagt Danke.
- Kommt ein Social-Media-Verbot in Dänemark? Wenn der Vorsitz im Rat der Europäischen Union schon nicht dazu taugt, die Chatkontrolle durchzusetzen, vielleicht schafft es Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen ja dann in ihrem eigenen Land, ein Social-Media-Verbot für Kids unter 15 Jahren durchzubringen? Wie das genau aussehen könnte, hat Frederiksens zwar noch nicht erklärt. Dass sie gern eins hätte, allerdings schon: “We have unleashed a monster”. (Politico)