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14.8.2020 | Facebook kuschelt mit Konservativen, Zensur-Vorwürfe bei ByteDance, unlauteres Datensammeln bei TikTok

14.8.2020 | Facebook kuschelt mit Konservativen, Zensur-Vorwürfe bei ByteDance, unlauteres Datensammeln bei TikTok

Facebook kuschelt mit Konservativen: Angestellte leaken angebliche Vorzugsbehandlung

Was ist

In den vergangenen Wochen sind vier interessante Recherchen erschienen, die zusammengenommen einen seltenen Einblick in das Innenleben von Facebook ermöglichen. Sie zeichnen das Bild eines Unternehmens, das alles tut, um Republikaner und Rechte zu besänftigen.

Facebook soll für konservative Stimmen immer wieder Ausnahmen machen – und damit zunehmend die eigenen Angestellten verärgern. Angeblich zieht sich ein tiefer Graben durch die Belegschaft, Mitarbeiterïnnen sprechen von "beispiellosen" Konflikten.

Was wir nicht wissen

Eine wichtige Einschränkung gleich zu Beginn: Wir haben für die Vorwürfe keine eigenen Quellen. Normalerweise versuchen wir, solche Anschuldigungen auf Plausibilität gegenzuchecken, bevor wir darüber berichten. Aufgrund unserer Sommerpause war uns das bislang nicht möglich. Zudem ist es für einen kleinen deutschsprachigen Nischen-Newsletter natürlich schwer, auf die Schnelle Informantïnnen in den USA aufzutreiben.

Die Recherchen bestätigen sich teils gegenseitig und stammen von vertrauenswürdigen und gut vernetzten Journalistïnnen, denen wir aufgrund ihrer früheren Arbeit ein gewisses Grundvertrauen entgegenbringen.

Doch selbst Casey Newton, neben Steven Levy wohl der Reporter mit dem direktesten Draht zu Facebook, erhält für seinen "The Interface"-Newsletter regelmäßig "Pushbacks" von Facebook-Angestellten, für die er eine eigene Kategorie eingerichtet hat: In der jeweils folgenden Ausgabe schreibt er dann, was Mitarbeiterïnnen an seiner Darstellung auszusetzen hatten.

Im aktuellen Fall äußern sich die Angestellten teils mit vollem Namen, viele der Zitate stammen aus Screenshots interner Foren. Es geht nicht darum, dass die Vorwürfe nicht zutreffen – es geht darum, ob sie ein repräsentatives Bild zeichnen. Facebook hat rund 50.000 Angestellte. Wenn ein kleiner Teil davon rebelliert, ist das immer noch relevant. Aber es ist eben nicht mehr als eine laute Minderheit.

Eines kann man aber mit Sicherheit sagen: Bestimmt gab es auch früher kontroverse Entscheidungen und hitzige interne Diskussionen. Neu ist, dass der Dissens nach außen dringt. Spannend für uns – für Facebook wohl eher lästig.

Warum das wichtig ist

Anfang Juni schrieben wir (#643):

"Wir erklären, warum der mächtigsten CEO der Welt ein gewaltiges Problem hat: den mächtigsten Politiker der Welt. Moralische Grenzen überschreitet Trump täglich – nun muss sich Mark Zuckerberg entscheiden, ob der US-Präsident auch Facebooks eigene Regeln bricht. Die Antwort auf diese Frage wird das Unternehmen Facebook auf Jahre hinaus prägen."

Die Ereignisse der vergangenen Wochen bestätigen diese Prognose. Es geht nicht nur um Donald Trump, sondern um den Großteil des rechten bis rechtsradikalen Lagers. Die US-Gesellschaft ist tief gespalten, und egal wie sich Facebook verhält, irgendjemand wird sich immer schlecht behandelt fühlen – oder öffentlich über die angebliche Voreingenommenheit Facebooks lamentieren und damit die eigenen Anhängerïnnen in Rage versetzen.

Nun zeigt sich: Der Riss zieht sich nicht nur durch die Gesellschaft, sondern auch durch die Teams von Facebook. Zumindest ein Teil der Mitarbeiterïnnen verlangt, dass Zuckerberg noch vor der US-Wahl Stellung bezieht und Trump Grenzen setzt.

Das sind die Recherchen

Das sind die Vorwürfe

Wir bündeln die Kernaussagen der drei Texte und ergänzen sie mit Kontext aus anderen Recherchen und unseren eigenen Briefings. In den Fällen, wo sich die Journalistïnnen auf Screenshots oder andere eindeutige Belege beziehen, verzichten wir auf den Konjunktiv.

Be smart

Zuckerberg dürfte wenig für Trump übrig haben. Immer wieder hat er die Äußerungen des Präsidenten in internen Meetings und öffentlichen Statement als "disgusting" oder "disturbing" bezeichnet. Aber er ist ein Machtmensch, der das Beste für sein Unternehmen herausholen will. Deshalb ist es nur logisch, dass er sich um gute Beziehungen zu Trump und den Republikaner bemüht.

Wie unsinnig der Vorwurf des anti-konservativen Bias im Silicon Valley ist, beschrieben wir unter anderem in Briefing #643. Trotzdem hält sich die Unterstellung hartnäckig (CJR) und wird von den Republikanern bei jeder Gelegenheit öffentlich wiederholt, zuletzt beim Antitrust-Hearing vor dem Kongress.

Leider verfängt das: Ein Großteil von Trumps Unterstützerïnnen ist fest davon überzeugt, dass die großen Plattformen ihre Meinungen unterdrücken. Um diesem unbegründeten Eindruck entgegenzuwirken, begehen die Konzerne einen Fehler, den schon viele Medien begangen haben (NYT):

"The biggest one is about false balance, and false symmetry. The American right and left have never been mirror images of each other. They’re different sorts of coalitions, with different histories and strategies."

"And in the Trump era, a specific kind of misinformation on social media is a central tactic of the right. President Trump says false and misleading things at a remarkable rate, and a whole constellation of blogs and websites, like The Gateway Pundit, support and amplify that strategy."

"Facebook, Google and Twitter are making the same mistakes the news media made decades ago, looking for balance rather than confronting the plain reality of the moment."


Social Media & Politik


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Header-Foto von Camila Rubio Varón bei Unsplash