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Facebook ist eine Blackbox – und das ist gefährlich | Warum Menschen in Afghanistan ihre Social-Media-Profile löschen | Goodbye Swipe-Up

Facebook ist eine Blackbox – und das ist gefährlich | Warum Menschen in Afghanistan ihre Social-Media-Profile löschen | Goodbye Swipe-Up

Facebook ist eine Blackbox – und das ist gefährlich

Was ist

Facebook hat einen Bericht vorgelegt, um den Eindruck entgegenzutreten, dass die Plattform eine Echokammer für rechte Hetze und Verschwörungsideologien ist. Doch die Zahlen werfen mehr Fragen auf, als sie beantworten. Zu allem Überfluss kommt auch noch heraus, dass Facebook eine ähnliche Auswertung für das erste Quartal unter Verschluss gehalten hat – angeblich, weil die Verantwortlichen ein PR-Desaster befürchteten.

Warum das wichtig ist

Das T in Facebook steht für Transparenz: Dass Facebook Forschenden, Medien und Öffentlichkeit ungern Einblick in die eigene Plattform gewährt, ist bekannt. Doch während einer Pandemie und vier Wochen vor der Bundestagswahl ist das besonders problematisch. Niemand außer Facebook (und womöglich nicht mal das) weiß, wie viele Menschen Desinformation ausgesetzt sind – und Forschungsprojekten, die versuchen, das Netzwerk zu durchleuchten, entzieht Facebook den Zugang.

Was die aktuelle Kontroverse ausgelöst hat

Um zu verstehen, warum mal wieder über Facebooks fragwürdiges Verständnis von Transparenz diskutiert wird, muss man vier Erzählstränge miteinander verweben: die Veröffentlichung des "Widely Viewed Content Report", die Rolle von Kevin Roose, die Abwicklung von CrowdTangle und einen zweiten Bericht, der nie veröffentlicht wurde.

1. Die Veröffentlichung des Widely Viewed Content Report

Steal some questions that went viral somewhere else, spam them on your page, and presto: you’re one of the most-viewed links for the entire quarter on the world’s biggest social network.

2. Die Rolle von Kevin Roose

3. Die Abwicklung von CrowdTangle

4. Der ominöse zweite Bericht

We're not going to solve the problems associated with a bunch of people believing in nonsense if we ignore the underlying parties responsible for the content itself, and focus just on the intermediaries. That doesn't mean to ignore Facebook, but it's a reminder to view the overall ecosystem.

Wie Facebook unabhängige Forschung behindert

Be smart

Wenige Journalistïnnen haben so viele Quellen bei Facebook wie Casey Newton. Kürzlich schrieb er in seinem Newsletter Platformer:

No one I have spoken to at Facebook believes that NYU’s work is not fundamentally in the public interest.

Tatsächlich wäre es zu einfach, Facebook zu unterstellen, es behindere mutwillig Forschung. Der Konzern argumentiert mit Datenschutz, und mit der Cambridge-Analytica-Affäre im Hinterkopf fällt es schwer, den Einwand komplett vom Tisch zu wischen. Schließlich waren es auch damals Schnittstellen, die für Dritte geöffnet wurden, über die schließlich sensible Daten abflossen.

Die gleichen Kritikerïnnen, die Facebook auch drei Jahre nach Cambridge Analytica noch die damaligen Fehler vorhalten, fordern nun lautstark, dass Facebook alle Datenschleusen für die Forschung öffnen soll. (Das ist natürlich etwas zugespitzt, ein Teil der Kritikerïnnen argumentiert differenziert. Aber es beschreibt das Dilemma, in dem Facebook sich befindet.)

Um unser schlechtes Wortspiel noch mal aufzugreifen: Das Transparenz-T findet man höchstens bei Instagram. Aber das O in Facebook könnte auch für Offenheit stehen (sogar doppelt) – und das läge womöglich auch in Facebooks eigenem Interesse. Denn solange Facebook mauert, werden Medien spekulieren und womöglich ein allzu düsteres Bild zeichnen. Also hoffen wir auf bessere Content-Reports und mehr Intiativen wie Facebook Open Research and Transparency (The Verge).


Warum Menschen in Afghanistan ihre Social-Media-Profile löschen

Was ist

Was die Plattformen unternehmen

Warum die Selbstzensur so tragisch ist

Be smart

Seit Jahren warnen Bürgerrechtlerinnen und Datenschützer auch in Deutschland: Wir müssen aufhören, alle verfügbaren Daten zu sammeln. Gesichtserkennung und Massenüberwachung sind gefährlich. Was ist, wenn diese Daten in die falschen Hände fällen, fragen sie.

In einer Demokratie klingt das nach einer sehr hypothetischen Gefahr. In Afghanistan ist genau dieses Albtraum-Szenario wahr geworden. Die Taliban sollen biometrische Technik des US-Militärs erbeutet haben (The Intercept). Womöglich können sie sogar auf zentrale Datenbanken zuzugreifen, in denen biometrische Daten wie Fingerabdrücke und Iris-Scans gespeichert sind.

Wir empfehlen zu diesem Thema die umfangreiche Analyse von Meike Laaff und Jakob von Lindern (Zeit Online) und den pointierten Kommentar von Patrick Beuth (Spiegel), der mahnend endet:

Es geht nicht nur darum, was heute in einer Datenbank steht, sondern darum, ob das irgendwann mal jemandem als verdächtig gelten könnte. Es geht nicht darum, wie selten eine neue Überwachungsinfrastruktur im Jahr nach ihrer Einführung genutzt wird. Es geht darum, wie häufig das passiert, wenn diejenigen, die sie beschlossen haben, nicht mehr im Amt sind. Gesetzgeber müssen aufhören, nur sich selbst in ihrer Rolle zu sehen. Sind Daten erst einmal in die falschen Hände geraten, ist es dafür zu spät.


Social Media und Politik


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Neue Features bei den Plattformen

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Header-Foto von Cristina Gottardi bei Unsplash