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7 Min. Lesezeit Twitter/X

Elon Musk: Raus aus X, jetzt

Elon Musk ist extrem reich, extrem mächtig und extrem rechts. Das macht ihn zu einer Gefahr für die liberale Demokratie.

Elon Musk: Raus aus X, jetzt
Quelle: Unsplash+ / Germán Di Ciccio

Was ist

Wir müssen über Musk reden. Tut uns leid, geht nicht anders. Wie Musk Twitter zerstört hat, ist bedauerlich – wie Musk zum Angriff auf die liberale Demokratie in den USA bläst, ist bedrohlich.

Der reichste Mensch der Welt hat sein Geld, seinen Einfluss und seine uneingeschränkte Kontrolle über eine wichtige Plattform einem großen Ziel untergeordnet: Donald Trump muss die Wahl gewinnen.

Dabei geht Musk vollkommen scham- und skrupellos vor. Er spendet Hunderte Millionen für Trumps Wahlkampf und postet Dutzende Male pro Tag: Lügen, Verschwörungserzählungen und wütende Angriffe auf alle, die weniger rechtsradikal sind als er.

Auch andere Personen aus der Tech-Branche engagieren sich politisch, der Medienmogul Rupert Murdoch verwandelte Fox News zur Wahl 2016 in einen Propagandakanal für Trump. Doch Musks Parteiergreifung hat ein beispielloses Ausmaß erreicht. Der Eigentümer von Tesla, SpaceX, Neuralink, Starlink und X ist der mächtigste und gefährlichste politische Influencer der Welt, der damit zum Steigbügelhalter für einen rassistischen, autoritären und demokratiefeindlichen US-Präsidenten werden könnte.

Wie sich Musk radikalisierte

Als Musk vor zwei Jahren Twitter kaufte, war nicht endgültig klar, was er damit anstellen würde. Haben wir es mit einem absurd reichen Troll zu tun, der sein Lieblingsspielzeug kontrollieren möchte und 44 Milliarden Dollar zahlt, einfach, weil er es kann? Oder will Musk die Plattform in eine Bühne für seine politische Agenda verwandeln?

Seitdem wird Monat für Monat deutlicher, was Musk bezweckt. Aus dem Mann, der einst Obama, Clinton und Biden unterstützte, Trumps Charakter kritisierte und zehn Millionen Dollar für Ron DeSantis spendete, ist ein fanatischer Trump-Anhänger geworden (NYT):

These days, in private conversations, Mr. Musk is obsessive, almost manic, about the stakes of the election and the need for Mr. Trump to win. (…) One person who spoke recently to Mr. Musk recalled him saying, without any hint of irony, “I love Trump.”

Im empfehlenswerten Buch "Character Limit" zeichnen Kate Conger und Ryan Mac nach, wie sich Musk politisch radikalisierte. Die Schutzmaßnahmen während der Corona-Pandemie, von denen seine Tesla-Werke in Kalifornien betroffen waren, brachten ihn gegen die Demokraten auf. Seit sich Musks Tochter nach ihrer Geschlechtsangleichung öffentlich von ihm lossagte, wütet Musk fast täglich gegen den "Woke Mind Virus" und Transgender.

Zugegeben: Wir können nicht in Musks Kopf hineinsehen. Was ihn radikalisierte, weiß nur er selbst – wenn überhaupt. Doch seine öffentlichen Aussagen, gut belegte Recherchen und Bücher wie "Character Limit", "Extremely Hardcore: Inside Elon Musk's Twitter" oder die Biografie von Walter Isaacson vermitteln das Bild eines Narzissten, der vergöttert werden will. Diese bedingungslose Unterstützung findet Musk bei der MAGA-Bewegung, die ihre Führer ohne Wenn und Aber verehrt.

Musk hat sein Schicksal untrennbar mit Trump verknüpft. "If he loses, I'm fucked", sagte er kürzlich dem rechten Moderator Tucker Carlson (CNN). Und unterstellte den Demokraten fälschlicherweise, sie wollten ihn zu einer Haftstrafe verurteilen: "How long do you think my prison sentence is going to be?"

Das lässt wenig Gutes für die Tage nach der Wahl vermuten. Was geschieht, wenn Kamala Harris knapp gewinnt und Trump erneut Verschwörungserzählungen über vermeintliche Wahlmanipulation verbreitet? Vor vier Jahren stürmte ein extremistischer Mob das US-Kapitol, Twitter sperrte Trumps Account. Falls digitaler Hass erneut in analoge Gewalt umschlagen sollte, wird Musk der Letzte sein, der Konsequenzen für Trump zieht.

Im Gegenteil: Nach der Wahl will Musk Teil der Regierung werden, um seine technofaschistische Vision in die Realität umzusetzen. Er hat in den vergangenen Monaten gezeigt, dass er alles unternimmt, damit Trump gewinnt. Als im August Rechtsextreme in Großbritannien randalierten, befeuerte Musk die Wut, indem er Lügen und gefälschte Artikel teilte, gar von einem Bürgerkrieg fantasierte, der unausweichlich sei. Das könnte sich in den USA wiederholen – mit katastrophalen Konsequenzen.

Wie Musk Trump unterstützt

Noch im März sagte Musk, er wolle keinen Kandidaten finanziell unterstützen. Nach dem gescheiterten Attentat auf Trump im Juli änderte Musk seine Meinung und sprach sich offen für Trump aus.

Seitdem hat er über die PAC America Hunderte Millionen Dollar in Trumps Wahlkampf gesteckt (Washington Post), tritt öffentlich mit ihm auf und verbreitet regelmäßig Desinformation und Lügen über Harris (Open Secrets). Musk versucht, Menschen mit dubiosen finanziellen Anreizen zu überzeugen, Trump zu wählen. Unter anderem finanziert er ein Schneeballsystem zur Rekrutierung neuer Wählerïnnen (Mother Jones) und verlost jeden Tag eine Million Dollar an alle Menschen, die eine absurde Petition unterzeichnen (Vox) – ein illegaler Eingriff in den Wahlkampf (Election Law Blog).

Das Schlimmste daran: Musk könnte damit Erfolg haben. Der Medien- und Politikwissenschaftler Dave Karpf nennt dafür drei Gründe:

  1. A million-dollar daily lottery constitutes real money for real people. Individuals who do not care about the election might care about sixteen free shots at a million dollars.
  2. The lottery also creates downstream media cycles. Unregistered voters tend to be low-information voters. The perennial challenge for electoral campaign organizations is that low-information voters are hard to reach. They aren't watching the debates, they're ignoring the campaign ads during NFL commercial breaks, etc. But if you get a wave of coverage of the lottery that might spread across normally apolitical channels.
  3. Short-term innovation edge. The effects of any new political tactic tend to be larger when it is first introduced. Direct mail, door-knocking, and text messaging were all more impactful when they were tried first, and then the effect sizes basically vanished once everyone adapted to the tactic. If you want to have an outsized impact, you have to lean into trying something new.

Be smart

Wir haben unsere eigenen X-Accounts längst stillgelegt. Das war aber eine Entscheidung, die wir für uns selbst getroffen haben. Wir wollten kein Teil einer Plattform mehr sein, die in erster Linie als politisches Werkzeug ihres zunehmend demokratiefeindlichen Eigentümers dient.

Lange Zeit haben wir es bei diesem stillen Protest belassen. Zum einen sind unsere Reichweite und unser Einfluss ohnehin überschaubar. Zum anderen möchten wir anderen nicht sagen, was sie zu tun haben. Auf Grundlage unserer Briefings können sich ja alle Leserïnnen selbst eine Meinung dazu bilden, ob X noch der richtige Ort für sie ist.

Das ändert sich jetzt. Falls du noch auf X aktiv sein solltest oder Unternehmenskanäle betreust, die dort posten, dann ist der Zeitpunkt gekommen, um diese Präsenz zu hinterfragen. Je mehr Menschen sich zurückziehen, desto schwächer wird der Netzwerkeffekt und desto weniger Gründe haben die Verbliebenen, dort noch länger zu posten.

Gerade gibt es erneut einen kleinen Run auf Bluesky, weil X sich mal wieder selbst sabotiert, indem es die Blockier-Funktion ad absurdum führt (TechCrunch) und Nutzerdaten zum Training von KI-Modellen verkauft (Pixel Envy). Letztlich ist es aber egal, ob Bluesky, Mastodon, Threads oder LinkedIn - alles ist besser als X.


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