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10 Min. Lesezeit Journalismus

Creator statt Medien: Wie und wo sich Menschen informieren

Das Reuters Institute hat den Einfluss von Newsfluencern in 24 Ländern untersucht. In Deutschland dominieren weiter klassische Medien.

Was ist

Die Informationslandschaft ist zersplittert. Klassische Medien haben ihre Deutungshoheit verloren und kämpfen mit YouTubern, Influencerïnnen und Podcast-Hosts um Aufmerksamkeit. Gerade Jüngere folgen lieber Menschen als Medien oder Marken.

Bislang mangelte es aber an einer einheitlichen Datengrundlage, um diesen Wandel des Medienkonsums abzubilden und international zu vergleichen. Das möchte das Reuters Institute mit einer neuen Auswertung ändern.

Der Bericht „Mapping news creators and influencers in social and video networks“ umfasst 24 Länder, darunter auch Deutschland. Er beruht größtenteils auf den Zahlen des Reuters Digital News Reports der Jahre 2024 und 2025, ergänzt durch Sekundärforschung und Gespräche mit Expertïnnen für die jeweiligen Länder.

Im Zentrum stehen zwei Fragen:

Wir fassen die zentralen Ergebnisse zusammen:

Warum das wichtig ist

Vor einem Jahr schrieben wir am Tag der US-Wahl über das Zeitalter der fragmentierten Öffentlichkeit (SMWB):

Es gibt in den USA immer weniger Menschen, deren Medienmenü sich ähnelt. Wer Times liest und CNN schaut, nimmt vergleichbare Ausschnitte der Realität wahr, die Redaktionen nach journalistischen Kriterien geprüft und ausgewählt haben. Das ist längst eine Minderheit, die Bedeutung klassischer Medien nimmt ab – auch durch eigenes Verschulden. (…) Es gibt Print und Podcasts, Times und Twitch, Indie-Medien und Influencer.

Und während des Wahlkampfs für die Bundestagswahl fragten wir uns, ob in Deutschland amerikanische Verhältnisse drohen (SMWB):

Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröders sagte einst, er brauche zum Regieren nur "Bild, BamS und Glotze". Diese Aussage fühlt sich genauso alt an, wie sie ist: aus dem vergangenen Jahrhundert. (…) Christian Lindner checkte im Hotel Matze ein, Olaf Scholz trat bei World Wide Wohnzimmer auf, und Robert Habeck unterhielt sich mehr als zweieinhalb Stunden mit dem Twitch-Streamer HandOfBlood. Auch wenn man selbst nicht zur Zielgruppe gehört oder sich die eine oder andere kritische Nachfrage mehr gewünscht hätte: Diese Formate sind seriös und haben nichts mit Rogan zu tun.

Es gibt aber genug Warnsignale. "Alternative Medien" sind für erschreckend viele Menschen zur wichtigsten Informationsquelle geworden. Podcasts wie Hoss und Hopf erreichen mit Verschwörungserzählungen ein Millionenpublikum und treiben junge Menschen der AfD in die Arme. Musk verbreitet auf einer AfD-Veranstaltung noch übleren Mist als bei seinen Auftritten mit Trump und wird alles daran setzen, dass dem neuen Bundestag möglichst viele Rechtsradikale angehören – mit freundlicher Unterstützung von X.

Seitdem hat sich diese Dynamik verstärkt. Das Weiße Haus hofiert rechte bis rechtsradikale Podcaster und YouTuber. Erst gestern gab Zohran Mamdani, der demokratische Kandidat für die Bürgermeisterwahl in New York, eine Pressekonferenz und lud ausschließlich Content-Creators ein (User Mag).

Das muss nicht automatisch schlecht sein. News-Creatorïnnen und Influencer arbeiten teils nach denselben journalistischen Standards wie seriöse Medien. Sie können das Informationsangebot ergänzen und neue Perspektiven bieten. In Ländern, in denen die Pressefreiheit durch Zensur oder Gewalt bedroht ist, übernehmen sie die Aufgaben unabhängiger Medien.

Die zentralen Erkenntnisse des Reuters-Berichts

Die Autorïnnen haben News-Creators recht weit gefasst und zwei Kategorien definiert. Die erste beschreibt Nachrichten im engeren Sinne und besteht aus vier Ansätzen:

In die zweite Kategorie fallen Creators, die nur im weiteren Sinne mit Nachrichten und Journalismus zu tun haben. Auch hier gibt es vier Bereiche:

Deshalb zählen in dem Bericht auch Personen wie Rezo und Alex Cooper zu News-Creators, obwohl sich der Großteil ihrer Inhalte nicht um Nachrichten und Journalismus dreht.

Auf dieser Grundlage kommen die vier Reuters-Autorïnnen zu folgenden Ergebnissen, die wir mit eigenen Einordnungen ergänzen:

1. In Deutschland haben klassische Medien die Nase vorn

Quelle: Reuters Institute
Quelle: Reuters Institute

2. Rechte Männer dominieren

3. Die Aufmerksamkeit ist ungleich verteilt

4. YouTube ist die wichtigste Plattform für News-Creators

Was der Reuters-Bericht Medien rät

In ihrem Fazit versuchen die Autorïnnen zu bewerten, wie bedrohlich News-Creators für traditionelle Medien sind. Dabei orientieren sie sich an den eingangs definierten Kategorien und kommen zu folgenden Schlüssen:

Der Bericht enthält ausführlichere Handlungsempfehlungen für Medien sowie eine kompakte Übersicht:

Quelle: Reuters Institute

Be smart

Vergangenes Jahr befragte die Unesco 500 News-Creators aus acht Ländern, darunter auch Deutschland, ob und wie sie Fakten prüfen – oder eben nicht. Aus gegebenem Anlass zitieren wir aus unserem damaligen Briefing (SMWB):


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USA, die letzte Staffel


Attention Economy

"Soziale Medien haben bisher zwei Epochen durchlaufen“, sagte Zuckerberg. „Die erste war, als alle Inhalte von Freunden, Verwandten und Accounts stammten, denen man direkt folgte. Die zweite war, als wir alle Inhalte von Creators hinzufügten.“ Obwohl Zuckerberg davor zurückschreckt, KI als dritte Ära der sozialen Medien zu bezeichnen, ist klar, dass diese Technologie maßgeblich an der nächsten Entwicklung beteiligt sein wird.


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