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Autokraten auf Facebook: Trump ist noch das kleinste Problem | TikTok-Verbot in USA vom Tisch | Facebook bastelt an Smartwatch

Autokraten auf Facebook: Trump ist noch das kleinste Problem | TikTok-Verbot in USA vom Tisch | Facebook bastelt an Smartwatch

Autokraten auf Facebook: Trump ist noch das kleinste Problem

Was ist

Nach einigem Hin und Her mit dem Oversight Board hat Facebook das Konto von Donald Trump für zwei Jahre gesperrt (Facebook-Newsroom). Gleichzeitig treten neue Regeln für den Umgang mit Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in Kraft (Facebook Transparency Center), was unter anderem Regierungschefïnnen und andere hochrangige Politikerïnnen betrifft. Wir ordnen beide Entscheidungen ein und erklären, warum die Causa Trump nicht von grundsätzlichen Problemen ablenken sollte.

Warum das wichtig ist

Jair Bolsonaro, Rodrigo Duterte, Narendro Modi, Baschar al-Assad: Autokraten, Populisten und Diktatoren auf der ganzen Welt nutzen die Reichweite, die ihnen Facebook bietet. Zum Teil verbreiten sie Lügen und Gerüchte, schüren Hass auf ihre politischen Kontrahenten und spalten die Gesellschaft. Facebook hat diesen Politikern lange Zeit fast alles durchgehen lassen, weil Mark Zuckerberg die Rolle des "arbiter of truth" ablehnt – mit teils fatalen Konsequenzen.

Bei der Entscheidung, welche Inhalte eine Plattform wie Facebook duldet, geht es nicht um Freedom of Speech, sondern um Freedom of Reach. Sagen können diese Personen weiter alles, was sie wollen, und ihnen stehen Dutzende Medien und Kanäle zur Verfügung, um damit viele Menschen zu erreichen. Die Frage ist, ob Facebook ein digitales Mikrofon hinhalten muss, um die Botschaft weiterzuverbreiten, nur weil ein Staatschef gern noch mehr Aufmerksamkeit möchte.

Was der Entscheidung vorausging

In Briefing #721 haben wir die gesamte Vorgeschichte aufgedröselt und die Entscheidung des Oversight Boards analysiert. Das hatte Anfang Mai die Sperre von Trumps Account grundsätzlich gebilligt. Die Mitglieder des Gremiums ließen es Facebook aber nicht durchgehen, Trump für unbestimmte Zeit zu blockieren. Er müsse entweder dauerhaft verbannt oder für einen klar definierten Zeitraum gesperrt werden.

Zudem gab das Board Facebook knapp ein Dutzend Policy-Empfehlungen mit auf den Weg. Im Gegensatz zur Trump-Entscheidung sind diese aber nicht bindend. Facebook solle seine "newsworthiness"-Ausnahme genauer erklären, wonach Posts bestimmter Accounts online bleiben dürfen, wenn sie von öffentlichem Interesse sind, obwohl sie gegen die Community-Standards verstoßen. Das Gleiche gilt für Fälle, in denen Facebook einflussreiche Konten vorübergehend sperrt. Es müsse öffentlich dargelegt werden, auf welcher Grundlage und welchen Verstößen die Sperre beruhe.

Was Facebook entschieden hat

Das Board räumte Facebook eine Frist von sechs Monaten ein, die Facebook aber nicht ausgereizt hat. Nach einem Monat ist die Reaktion erfolgt, die wir in zwei Teilen betrachten: der Einzelfall Trump und der generelle Umgang mit Menschen wie Trump.

1. Trump bleibt für mindestens zwei Jahre gesperrt

2. Facebook schafft den Freifahrtschein für Politikerïnnen ab

Was die Entscheidungen bedeuten

Be smart

Die gute Nachricht: Deplatforming wirkt. Trump hat sein Blog nach weniger als einem Monat eingestellt (Washington Post), weil sich kaum jemand dafür interessiert hat. Selbst Prominente brauchen große Plattformen, sonst verlieren sie Reichweite.

Die schlechte Nachricht: Content-Moderation bleibt, vorsichtig ausgedrückt, verdammt kompliziert. Und je öfter Plattformen eingreifen, desto argwöhnischer werden viele Regierungen. Weltweit bereiten Staaten Gesetze vor (Politico), die Politikerïnnen nahezu bedingungslose Redefreiheit garantieren sollen.

Nigeria hat einfach mal alle Internetanbieter verpflichtet, den Zugang zu Twitter zu sperren (Guardian), nachdem ein Tweet des Präsidenten gelöscht wurde. Kaum weniger absurd mutet ein Gesetzentwurf in Florida an (Ars Technica). Der republikanische Gouverneur Ron DeSantis will "Zensur" verhindern, indem er Einwohnerïnnen die Möglichkeit gibt, Tech-Konzerne zu verklagen, die Politikerïnnen verbannen.

Es gibt eine Ausnahme: Das Gesetz gilt nicht für Unternehmen, die in Florida "einen Freizeitpark oder Entertainment-Komplex besitzen und unterhalten". Diese lachhafte Disney-Regel ist nicht der einzige Grund, warum Facebook, Twitter, Amazon, Google und andere Konzerne Klage eingereicht haben (Ars Technica).

Social Media und Politik

Creator Ecocomy

Schon einmal im Briefing davon gehört

Neue Features bei den Plattformen

Twitter

Reddit

One more thing

Wie Instagram funktioniert: In einer neuen Artikel-Serie möchte Instagram-Boss Mosseri erklären, wie die Video/Foto/Shopping/Meme/Livestream-Plattform funktioniert. Es geht in den Artikeln u.a. darum, was eigentlich dieser Algorithmus ist, wie Feed-Posts und Stories geranked werden und wie Inhalte bei Explore landen. Vieles davon ist Power-Userïnnen sicherlich bereits bekannt. Einen so umfassenden Überblick darüber, wie Insta funktioniert, gab es bislang von Instagram selbst aber nicht.


Header-Foto von canweallgo bei Unsplash