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9 Min. Lesezeit Trends

Ausgabe 1000: Warum machen wir das eigentlich?

Ein kurzer Blick zurück, ein längerer nach vorn – und ein riesengroßes Dankeschön.

Ausgabe 1000: Warum machen wir das eigentlich?
Quelle: Unsplash / Giulia Squillace

Was ist

Jahrestage und Jubiläen dienen Medien oft als Anlass, um Themen zu setzen. Den meisten Menschen sind runde Zahlen aber egal. Für Leserïnnen zählt nur: Ist das eine gute Geschichte? Deshalb wollten wir zunächst gar nicht weiter darauf eingehen, dass wir heute unsere tausendste Ausgabe verschicken.

Nun haben wir uns aber doch entschieden, kein gewöhnliches Briefing zu schreiben. Schließlich sind wir auch kein gewöhnliches Medium, sondern leben ausschließlich von unseren Abonnentïnnen – von Menschen wie dir. Deshalb hoffen wir, dass dich ein kurzer Blick hinter die Kulissen vielleicht doch interessiert.

Wir möchten dich aber nicht mit Nabelschau und Selbstbeweihräucherung langweilen. Auch wenn die meisten unserer Takes recht gut gealtert sind: Nichts ist so alt wie der Newsletter von gestern. Statt einer Rückschau auf die vergangenen zwölf Jahre konzentrieren wir uns auf Gegenwart und Zukunft.

Was uns antreibt

Wir sagen es offen: Nicht jeder Newsletter macht Spaß. Wenn sich am Morgen des Briefings eine dreistellige Zahl an Links angehäuft hat und wir auf Dutzende Tabs mit Texten starren, die wir lesen, sortieren und zusammenfassen müssen, fluchen wir innerlich.

Neben dieser kurzfristigen Überforderung gab es immer wieder Phasen, in denen wir das Gefühl hatten, dass wir uns leer geschrieben haben. Social Media und Big Tech wirkten auserzählt. Zwar geschah täglich Neues, aber die grundlegenden Dynamiken, Strukturen und Probleme blieben gleich:

Auch TikTok war letztlich nur das Gleiche in Chinesisch. Immer wieder fielen in unseren Telefonaten Sätze wie: "Aber das ist doch alles nicht neu. Haben wir schon in Ausgabe 612, 759 und 878 ausführlich analysiert. Müssen wir das wirklich nochmal aufschreiben?"

Zwei Dinge haben dazu beigetragen, dass wir zuletzt wieder seltener gezweifelt haben. Zum einen verändert generative KI nicht nur Social Media, sondern alle Gesellschaftsbereiche. Wie bei jeder neuen Technologie geht das mit übertriebenen Heilsversprechen, apokalyptischen Warnungen sowie einer Reihe ganz realer Chancen und Risiken einher. Die kurzfristigen Auswirkungen werden überschätzt, die langfristigen unterschätzt. Wir sehen es als unsere Aufgabe, diese Entwicklungen nüchtern zu beschreiben und einzuordnen.

Zum anderen hat das vergangene halbe Jahr unsere schlimmsten Befürchtungen übertroffen. Wir warnen seit mehr als einem Jahrzehnt, dass (…)

Spätestens der US-Wahlkampf verdeutlichte, dass sich hypothetische Szenarien in Realität verwandelt hatten. Der reichste Mensch der Welt nutzte seine beispiellose ökonomische, publizistische und politische Macht, um einem verurteilten Straftäter den Weg ins Weiße Haus zu ebnen. Natürlich ist Musks Unterstützung nicht der einzige Grund für Trumps Wahlsieg, doch X und die Hunderten Millionen Dollar für den Wahlkampf waren zwei wichtige Werkzeuge der Kampagne.

Musk steht dabei für eine Strömung im Silicon Valley, die in den kommenden vier Jahren massiven Einfluss auf Trumps Politik nehmen wird. Rechtslibertäre Gründer und Investoren wie Marc Andreessen, Peter Thiel und David Sacks kämpfen erbittert gegen jede Form von Regulierung. Ihre Demokratieverachtung hat autokratische bis faschistische Züge angenommen. Mit Trump haben sie den idealen Verbündeten gefunden, um unter dem Deckmantel von Bürokratieabbau und Freiheit die demokratischen Institutionen der USA zu entmachten.

Seit Kurzem möchte auch Zuckerberg mitmischen. Ob er aus Opportunismus oder Überzeugung handelt, spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle. Was zählt, ist das Ergebnis: Meta unterwirft sich Trump, der damit noch vor seinem Amtsantritt maßgeblichen Einfluss auf Facebook, Instagram, Threads und X nimmt.

Zuckerberg erhofft sich davon mehrere Dinge:

Auf den Rechtsruck im Weißen Haus folgt damit eine tektonische Machtverschiebung im Netz. Meta verwandelt sich in eine MAGA-Plattform, Zuckerberg bewirbt sich mit Nachdruck um einen Ehrenplatz im Ring der Broligarchen.

Am Morgen nach der Wahl schrieb Musk auf X: "You are the media now". Er meinte das als Verheißung, wir empfinden es als Drohung. Unfassbar mächtige, reiche und rechte Männer arbeiten gemeinsam an der Abschaffung der Demokratie, verbreiten Verschwörungserzählungen und schüren Ressentiments gegen Medien und Politik. Damit sind sie erschreckend erfolgreich.

Zuckerberg drängt auf Deregulierung, Musk mischt sich aktiv in Wahlkämpfe ein. Das Gespräch mit Alice Weidel wird nicht der letzte Versuch gewesen sein, Einfluss auf den Ausgang der Bundestagswahl zu nehmen. Auch Deutschland wird den Einfluss der US-Broligarchen zu spüren bekommen.

Einerseits erschüttern uns diese Ereignisse. Andererseits zeigen sie, dass man Demokratie und ein ziviles Miteinander immer wieder neu verteidigen muss. Natürlich ändert unser Newsletter nichts am Zustand der Welt – aber wenn unsere Analysen dazu beitragen, dass ein paar Hundert Menschen etwas besser verstehen, was gerade geschieht, dann haben wir das Gefühl, dass unsere Arbeit einen Sinn hat.

Warum wir dankbar sind

Wir sind aus zwei Gründen sehr privilegiert:

Im Alltag vergessen wir oft, wie außergewöhnlich dieses Projekt ist. Zwischen Orga, Umsatzsteuer und Deadlines geht unter, dass es eben nicht selbstverständlich ist, dass wir komplett unabhängig und ausschließlich finanziert von unseren Leserïnnen arbeiten können.

Deshalb müssen wir einander immer wieder gegenseitig daran erinnern, einen Schritt zurückzutreten, wenn einer von uns beiden mal wieder genervt und überfordert ist. Wir leben den Traum vieler freier Journalistïnnen, sind gleichzeitig unsere eigenen Chefs und haben vergleichsweise große finanzielle Sicherheit. Das ist ein großes Glück.

Gleichzeitig spüren wir, dass wir wohl keine weiteren 1000 Ausgaben in dieser Form verschicken werden. Das vergangene Jahr war für viele Medien finanziell schwierig, und auch wir haben die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf unsere Abozahlen gesehen.

Das Social Media Watchblog steht weiter auf einem soliden Fundament, aber 2025 ist es an der Zeit für frischen Wind. Wir haben Ideen für neue Formate und Projekte, die wir in den kommenden Monaten ausprobieren möchten.

An unserem grundlegenden Versprechen wird sich aber bis auf Weiteres nichts ändern: Wir erklären dir zweimal pro Woche, was rundum Social Media und KI passiert – und was das bedeutet. Unser Anspruch: Wenn du unser Briefing liest, erfährst du nicht nur alles, was wichtig ist – sondern verstehst es auch.

Wir sagen von Herzen danke, dass du uns auf unserer Reise begleitet hast und hoffen, dass du weiter mit an Bord bleibst. Ohne die Unterstützung von dir und vielen anderen wunderbaren Menschen wäre dieses Projekt nicht möglich.


Meta goes MAGA

Eine Woche ist Zuckerbergs Kniefall vor Trump nun her. Was seitdem geschah:

Unser aktueller Deep Dive zum Thema:

Metas MAGA-Move: 6 Thesen zu Zuckerbergs Rechtsruck
Zwei Tage nach Zuckerbergs Kniefall vor Trump sind immer noch viele Fragen offen. Wir sortieren das Durcheinander.

TikTok Verbot

Diesen Sonntag könnte ein Gesetz in Kraft treten, das TikTok vor die Wahl stellt: Verkaufen oder verboten werden. Hier die aktuellsten Entwicklungen im Überblick:

Unser aktueller Deep Dive zum Thema:

TikTok-Drama, Kapitel 47: Ziehen es die USA jetzt wirklich durch?
Nach jahrelangen Diskussionen um ein Verbot könnten TikToks Tage in den USA gezählt sein. Könnten. Vielleicht. Oder auch nicht.

Social Media & Politik


Follow the money

UPDATE, 15.1.2025: Fortune hat den Bericht mittlerweile zurückgezogen. Anstelle des Artikels heißt es nun:

CORRECTION: On January 9, Fortune published an article titled “Elon Musk is pushing to remove dates from X posts and planning new $8 sign up fee.” After publication, Fortune learned that a source that was central to this story had intentionally misled our reporter over a series of exchanges. The sourcing and story do not meet our editorial standards, and the story has been deleted. We apologize to readers and to Mr. Musk and employees of X.

Danke Armin für den Hinweis in den Kommentaren.


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